Corona-Warn-App als Pflicht für Mitarbeiter und Kunden (FAQ und Praxistipps)?

Die Corona-Warn-App soll ihren Nutzern anzeigen, wenn sie sich in der Nähe einer infizierten Person befanden. Dadurch sollen mögliche Infektionsketten schnell und effizient unterbrochen und so die Pandemie eingedämmt werden.

Allerdings hängt der Erfolg der App von der Anzahl ihrer Nutzer ab. Daher möchten viele Unternehmen die App ihren Mitarbeitern oder Kunden empfehlen. Manche gehen sogar weiter und überlegen Mitarbeiter oder Kunden zur Nutzung der App zu verpflichten.

Ob derartige Corona-App-Zugangsschranken und -Empfehlungen rechtlich zulässig sind, erfahren Sie in der folgenden FAQ. Die Antworten erhalten zudem praktischen Vorschläge, wie Sie die Zulässigkeit prüfen können und welche Risiken verbleiben.

Aber der Bundesdatenschutzbeauftragte hat die Zulässigkeit einer Verpflichtung bereits verneint?

Der Bundesdatenschutzbeauftragte und die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden, DSK) teilten mit, dass eine Verpflichtung zur Nutzung der App unwirksam wäre. Dieser Ansicht kann in den meisten Fällen zugestimmt werden, wie nachfolgend erläutert wird.

Allerdings sind das lediglich unverbindliche Ansichten der Behörden, die in ihrer Pauschalität und Praxistauglichkeit angezweifelt werden können (was ebenfalls im Folgenden begründet wird).

Wer böse ist, der könnte sogar meinen, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte und die DSK  keine andere Ansicht äußern konnten, ohne den Einsatz der Corona-App zu gefährden.

Warum wäre die Zulässigkeit der Corona-App durch Nutzungspflichten gefährdet?

Im Rahmen der Corona-Warn-App werden personenbezogene Daten verarbeitet (Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Ansonsten könnte schon gar nicht geprüft werden, wem die Information über mögliche Infektionen bekanntgegeben werden können.

Auch wenn der Umfang der Verarbeitung und die Belastung der einzelnen Bürger, nicht nur nach der hier vertretenen Ansicht (angesicht des Zwecks) vertretbar ist, bedarf die Verarbeitung einer Rechtsgrundlage.

Die Bundesregierung hat sich entschieden die App auf Grundlage der Einwilligung der Nutzer durch das Robert Koch-Institut betreiben zu lassen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a., Art. 7 DSGVO). Eine Einwilligung ist jedoch nur dann zulässig, wenn sie freiwillig erfolgt (Art. 4 Nr. 11 DSGVO).

Würde die App in der Praxis zu einer Art Passierschein oder Zugangsbarriere werden, dann könnte nicht mehr von einer freiwilligen Nutzung gesprochen werden. Um an die vorhergehende Frage anzuschließen, müssen der Bundesdatenschutzbeauftragte und die DSK sich gegen einen Zwang zur Appnutzung aussprechen, wenn sie den Einsatz der Corona-Warn-App nicht gefährden wollen.

Warum wäre eine gesetzliche Regelung besser gewesen?

Statt auf eine freiwillige Einwilligung der Nutzer zu setzen, hätte ein Corona-Warn-App-Gesetz mit einem Verbot von Nachteilen, im Zusammenhang der Nichtutzung der App erlassen werden können. Ein solches Gesetz hätte viele Rechtsunsicherheiten erspart (siehe den Gesetzesvorschlag einer Gruppe von DatenschutzexpertInnen oder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit einem Benachteiligungsverbot explizit für Beschäftigte).

Dadurch dass die Regierung auf eine gesetzliche Regelung verzichtet hat und die Unsicherheiten in Kauf nimmt, muss sie sich umgekehrt zurechnen lassen, wenn die Corona-Warn-App doch zu einer Zugangsschranke werden sollte.

Dann wäre die Nutzung der App jedoch nicht mehr freiwillig und ihr Betrieb datenschutzwidrig (was wiederum von dem Umfang und Intebsität der praktizierten Nutzungsverpflichtungen abhängen wird).

Beispiel einer gesetzlichen Regelung zum Verbot einer Benachteiligung im Zusammenhang mit der Nutzung der Corona-Warn-App
Beispiel einer gesetzlichen Regelung zum Verbot einer Benachteiligung im Zusammenhang mit der Nutzung der Corona-Warn-App

Wann kann die Verpflichtung zur Nutzung der App zulässig sein?

Unabhängig davon, ob es sich um einen Arbeits- oder einen Kaufvertrag handelt, läuft es am Ende auf die Abwägung der folgenden Interessen hinaus:

  • Interesse der Nutzer an der Verweigerung der Installation der App: Trotz einer geringen datenschutzrechtlichen Belastung, dürfen die Bürger die Nutzung der App grundsätzlich zu verweigern. Das ist ihr Recht, sei es auf Grundlage des Datenschutzes oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Privatsphärenschutzes.
  • Interessen der Unternehmen am Einsatz der App: Ein Unternehmen kann das Interesse am Schutz anderer Mitarbeiter und Kunden (u. a. § 611, 241 Abs. 2 BGB, § 618 BGB, §§ 3 und 4 ArbSchG) sowie eigene betriebswirtschaftliche Interessen geltend machen.

Um zu prüfen, ob eine Pflicht zum Einsatz der Corona-Warn-App zulässig wäre, müssten die beiden Interessen nach dem folgenden Muster geprüft werden (sog. Verhältnismäßigkeitsprüfung):

  • Ist die Pflicht zur Nutzung der App geeignet das verfolgte Interesse zu unterstützen? – Die Warnung der App vor einer möglichen Infektion, kann Arbeitnehmer vom Gang zur Arbeit oder Kunden von einem Einkauf abhalten und so Mitarbeiter und andere Kunden schützen. Allerdings könnten Kunden die Corona-Warn-App zum Vorzeigen schnell installieren und deinstallieren, was gegen die Wirksamkeit der Nutzungspflicht in Frage kommt (bei Mitarbeitern käme zumindest theoretisch ein Verbot derartiger Umgehung in Betracht).
  • Gibt es keine milderen Maßnahmen, die sich genauso eignen die verfolgten Interessen abzusichern? – An dieser Stelle könnten Unternehmen u. a. auf die Einführung einer Maskenpflicht, räumliche Trennung, Homeoffice, Desinfektionsmaßnahmen und räumlichen Abstands oder betriebsinterne Testmaßnahmen, bzw. bereits vorhandene Kenntnis einer potentiellen Infektion (z. B. bei Krankenhausmitarbeitern) hingewiesen werden. Zugleich könnte die Wirksamkeit der Corona-Warn-App angezweifelt werden (da die App sich noch beweisen muss).
  • Ist der Nutzen angesichts der Belastung der Mitarbeiter und Nutzer angemessen? – Es ist davon auszugehen, dass der Datenschutz und die Privatsphäre von Gerichten im ersten Schritt höher gewichtet werden, als ihre Einschränkung durch mögliche positive Aspekte der Corona-Warn-App (“in dubio pro libertate“, was sich z. B. in dem sog. “Kopplungsverbot” im Art. 7 Abs. 4 DSGVO wiederfindet). D. h. das Unternehmen wird die Pflicht treffen, die Notwendigkeit einer Nutzungspflicht begründen zu müssen (z. B. damit dass eine unerkannte Infektion den Betrieb des Unternehmens gefährden würde, Mitarbeiter mit vielen Kunden Kontakt haben oder ein Geschäftslokal, z. B. ein Sanitätshaus, von Risikogruppen frequentiert wird).

In sehr vielen Fällen wird dieser Abwägungsvorgang trotz aller Sorgfalt zu einem ungewissen Ergebnis führen.

Warum bleibt trotz aller Sorgfalt der Ausgang von Gerichtsverfahren ungewiss?

Etwaige Gerichtsentscheidungen werden wohl auch von der politischen und sozialen Prägung eines Gerichts abhängen und sich selbst beeinflussen.

Denn wird die Verpflichtung zur Nutzung der App für unzulässig gehalten, wird dadurch die App zugleich seltener genutzt. Die seltenere Nutzung führt wiederum dazu, dass die Wirksamkeit der App zurück geht. Damit wird ihr Nutzen in einer Abwägung nach obigem Muster geringer.

Damit könnten die Urteile ähnlich geprägt sein, wie der hier dem Bundesdatenschutzbeauftragten unterstellte Wunsch, mit seinen Aussagen den Betrieb der Corona-Warn-App nicht zu gefährden.

Die Bundesregierung setzt auf die Freiwilligkeit der App und das Gefühl sozialer Verantwortung der Bürger. Allerdings unterlässt sie es, die Freiwilligkeit gesetzlich zu unterstützen.
Die Bundesregierung setzt auf die Freiwilligkeit der Corona-Warn-App und das Gefühl sozialer Verantwortung der Bürger. Allerdings unterlässt sie es, die Freiwilligkeit gesetzlich zu unterstützen.

Macht es einen Unterschied, ob die App auf einem Dienstgerät installiert wird?

Es macht einen wesentlichen Unterschied, ob die Corona-Warn-App von Mitarbeitern auf einem Privat- oder auf einem Dienstgerät installiert werden soll.

Generell dürfen Arbeitgeber auf den Privatbereich der Mitarbeiter nur so viel Einfluss nehmen, wie es unbedingt erforderlich ist. Die Nutzung von Dienstgeräten erleichtert es, diesen Vorgaben nachzukommen:

  • Installation auf einem Privathandy: Wird die Corona-Warn-App auf dem Privattelefon installiert, dann werden Mitarbeiter*innen auch in ihrer Freizeit von der App auf mögliche Infektionen überwacht.
  • Installation auf einem Diensthandy: Ist die App dagegen nur auf einem Dienstgerät installiert, dann erfolgt die Überwachung nur im Rahmen der Arbeitstätigkeit. D. h. die Reichweite und Intensität der Belastung ist geringer und steht in einem direkten Bezug zu der Arbeitsaufgabe.

Diese Abstufung sagt für sich noch nichts darüber aus, ob die Verpflichtung der Appnutzung zulässig ist. Aber eine sich auf das Dienstgerät beschränkende Pflicht, macht die Zulässigkeit der Verpflichtung zur Nutzung der Corona-App viel wahrscheinlicher.

Hinweis in eigener Sache: Vereinbarungen zur Nutzung von <a href="https://datenschutz-generator.de/bring-your-own-device/">Privatgeräten für betriebliche Zwecke</a> oder <a href="https://datenschutz-generator.de/telearbeit-home-mobile-office/">Homeoffice</a> können Sie mit Hilfe unserer Generatoren erstellen. Ebenso können Sie gesetzlich vorgeschriebene Kunden- und Gästelisten samt DSGVO-Hinweisen erstellen.
Hinweis in eigener Sache: Vereinbarungen zur Nutzung von Privatgeräten für betriebliche Zwecke oder Homeoffice können Sie mit Hilfe unserer Generatoren erstellen. Ebenso können Sie in Corona-Verordnungen gesetzlich vorgeschriebene Kunden- und Gästelisten samt DSGVO-Hinweisen erstellen.

Macht es einen Unterschied wenn Mitarbeiter Facebook und andere soziale Medien nutzen?

Häufig hört man die Begründung, dass jemand der Facebook, Instagram, WhatsApp oder die Google-Dienste nutzt und deren Datensammlung hinnimmt, sich der Corona-Warn-App nicht verweigern kann.

Dieser Vergleich kann allenfalls ein moralisches Argumentationsmittel sein (wobei eine Datenverarbeitung unter staatlicher Aufsicht nicht automatisch mit der von Unternehmen verglichen werden kann). Vor Gericht wird das Argument jedoch keine Beachtung finden. Es gibt kein Anrecht von Unternehmen auf Gleichbehandlung durch Privatpersonen.

Muss der Betriebsrat einer Nutzungspflicht zustimmen?

Eine Pflicht zur Nutzung der Corona-Warn-App wäre ohne die Zustimmung des Betriebsrats auf Grund folgender Beteiligungsvorschriften unzulässig:

  • Es ist eine Regelung der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVfG).
  • Es handelt sich um die Einführung und Anwendung einer technischen Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen; (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVfG).

Wäre ein Zwang zur Meldung einer möglichen Infektion, aber ohne Nutzungsverpflichtung, zulässig?

Grundsätzlich spricht viel dafür, dass Mitarbeiter auf Anfrage (und sogar von sich aus) eine Infektion mitteilen müssen. Umgekehrt muss der Arbeitgeber derartige Meldungen mit strikter Vertraulichkeit behandeln.

Daher wäre eine Aufforderung eine Infektion zu melden, wenn sie denn vorliegt, nach der hier vertretenen Ansicht grundsätzlich zulässig (außer sie ist nicht erforderlich, z. B. beim Einsatz im Homeoffice, ohne dass ein Kontakt zu anderen Mitarbeitern oder Kunden besteht).

Was ist die Folge unwirksamer Nutzungsverpflichtung?

Die erste Folge ist die Unwirksamkeit der Verpflichtung oder eines Zutrittsverbotes, das je nach Lage unterschiedliche Auswirkungen haben könnte:

  • Arbeitnehmer – Arbeitnehmer könnten den Einsatz der App verweigern. Würde der Arbeitgeber ihnen den Zutritt zur Arbeitsstätte oder die Arbeitstätigkeit sonst (ohne angemessene Alternativen, wie  z. B. ein Homeoffice) verwehren, dürften sie entschuldigt der Arbeit fernbleiben. Etwaige Abmahnungen und Kündigungen wären unwirksam.
  • Kunden – Kunden könnten z. B. etwaige Mehraufwendungen für umsonst gefahrene Wege geltend machen.

Allerdings wird es in beiden Fällen häufig auf einen Rechtsstreit hinauslaufen. Denn der Arbeitgeber wird wahrscheinlich das Gehalt kürzen, eine Abmahnung oder Kündigung aussprechen und ein Kaufhaus die Zahlung der Kosten verweigern (Kunden sollten nicht versuchen sich mit Gewalt Zutritt zu verschaffen, da dies im Regelfall nicht von einem Notwehrrecht gedeckt sein wird).

Darf zu einer freiwilligen Nutzung der App aufgefordert werden?

Ja, auch Unternehmen dürfen ihre Mitarbeiter oder Kunden die Nutzung der Corona-Warn-App, auch “dringend” empfehlen.

Allerdings sollte die Empfehlung bei Mitarbeiter mit dem Hinweis einher gehen, dass die Empfehlung freiwillig und frei von Konsequenzen erfolgt.

Fazit und Praxisempfehlung

Zusammenfassend, sollten Sie auf eine Verpflichtung zur Nutzung der Corona-Warn-App  sowohl bei Mitarbeitern, wie auch bei Kunden eher verzichten. Denn die Verpflichtung wird, zumindest ohne evidente Nachweise der Nützlichkeit der App, unzulässig sein.

Nur wenn das Risiko für das Unternehmen, die Mitarbeiter und andere Kunden besonders hoch ist (häufige Kundenkontakte, Umgang mit gefährdeten Risikogruppen), andere Maßnahmen (räumliche Trennung, Desinfektion, Maskenpflicht, Homeoffice,  etc.) nicht möglich sowie zumutbar sind und Sie sich zudem auf einem ungewissen Verfahrensausgang einlassen möchten, kommt eine derartige Nutzungspflicht in Frage.

In solchen Fällen sollten Sie sich jedoch rechtlich beraten lassen und die Belastung möglichst gering halten (z. B. durch Beschränkung der Nutzungspflicht auf Diensthandys).

Sicher ist dagegen eine Empfehlung die App zu nutzen, wobei Sie bei Mitarbeitern auf die Freiwilligkeit der Empfehlung hinweisen sollten.

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