Großer Ratgeber und FAQ zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Es bringt neue Pflichten für alle, die z.B. “smarte” Produkte vertreiben oder E-Commerce-Angebote, wie z.B. Onlineshops betreiben. Das Ziel des Gesetzes, dass Personen mit Behinderungen gleichwertig an digitalen Inhalten und digitalem Konsum teilhaben können.
Was bedeutet das für Unternehmen und Selbstständige im digitalen Bereich? Dieser Beitrag klärt wichtige Fragen: Wer ist vom BFSG betroffen? Welche Online-Angebote müssen angepasst werden? Wie setzt man Barrierefreiheit praktisch um? Sie erhalten Antworten auf diese und weitere relevante Aspekte des neuen Gesetzes.
Inhalt des Beitrags:
Grundlagen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) zielt darauf ab, die digitale Teilhabe für Menschen mit Behinderungen zu verbessern, indem es verbindliche Standards für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen etabliert. In diesem Abschnitt werden die Grundlagen des BFSG beleuchtet, einschließlich seiner Entstehung, der gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen und der Gründe für seine Einführung.
Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) soll Menschen mit Behinderungen helfen, besser am digitalen Leben teilzunehmen. Es legt einheitliche Regeln fest, damit bestimmte Produkte und Dienstleistungen für Verbraucher barrierefrei sind.
Das bedeutet, dass Menschen mit Seh-, Hör-, Bewegungs- oder Denkeinschränkungen diese Angebote genauso gut nutzen können sollen wie alle anderen Kunden und Nutzer.
Das BFSG basiert auf einer Richtlinie der Europäischen Union, dem sogenannten “European Accessibility Act” (EAA). Deutschland hat EAA mit dem BFSG in deutsches Recht umgesetzt.
Warum wurde das BFSG eingeführt?
Das BFSG wurde eingeführt, um folgende Ziele zu erreichen:
- Gleichberechtigten Zugang zu digitalen Angeboten sicherzustellen.
- Technische Standards zur Barrierefreiheit für Unternehmen klar zu definieren.
- Rechtsklarheit für Anbieter digitaler Produkte und Dienstleistungen zu schaffen.
- Den europäischen Binnenmarkt zu harmonisieren, da ähnliche Regelungen in allen EU-Staaten gelten werden.
Bisher gab es in Deutschland keine Vorschriften zur digitalen Barrierefreiheit für die private Wirtschaft. Während öffentliche Stellen bereits durch Bundes- und Landesgesetze verpflichtet waren, ihre Online-Angebote barrierefrei zu gestalten, galt dies bislang nicht für private Unternehmen.
Viele Menschen mit Behinderungen sind jedoch im Alltag mit digitalen Barrieren konfrontiert. Beispielsweise können blinde Menschen in Bildern enthaltene Informationen nicht erkennen, oder Menschen mit motorischen Einschränkungen haben Schwierigkeiten, kleine oder verschachtelte Navigationselemente zu bedienen.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) soll diese Probleme, zumindest zum Teil, beseitigen. Es zielt darauf ab, mehr Barrierefreiheit auch im Konsumbereich durchzusetzen und ist somit ein bedeutender Schritt hin zu einer inklusiveren Gesellschaft.
Ab wann gilt das BFSG?
Das BFSG tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen alle betroffenen Produkte und Dienstleistungen barrierefrei verfügbar sein.
Das bedeutet:
- Neue Webseiten, Apps und Online-Dienste: Müssen ab dem 28. Juni 2025 direkt barrierefrei sein.
- Bestehende Webseiten und digitale Angebote: Müssen bis spätestens zu diesem Datum angepasst werden.
- Bestimmte Produkte und laufende Dienstleistungen: Haben unter bestimmten Bedingungen eine Übergangsfrist bis 2030 (§ 38 BFSG).
Es gibt jedoch keine Schonfrist für bestehende E-Commerce-Angebote, sondern allenfalls für Produkte, die über E-Commerce-Angebote vertrieben werden.
Gibt es eine Übergangsphase für bestehende Produkte und Dienstleistungen?
Es gibt eine Übergangsfrist für bestimmte Situationen, in denen aktuelle Produkte und Verträge weiterhin genutzt werden dürfen (§ 38 BFSG):
- Vorhandene Geräte: Unternehmen können bis zum 27. Juni 2030 weiterhin Geräte und Technologien benutzen, die sie bereits vor dem 28. Juni 2025 im Einsatz hatten. Beispiele dafür sind ältere E-Book-Reader, Smartphones oder Tablets.
- Bestehende Verträge: Verträge, die vor dem 28. Juni 2025 abgeschlossen wurden, können unverändert genutzt werden, bis sie enden, aber nicht länger als bis zum 27. Juni 2030. Das betrifft z.B. Abos für Streaming-Dienste oder Mitgliedschaften in Online-Bibliotheken.
- Selbstbedienungsterminals: Geräte wie Geldautomaten oder Fahrkartenautomaten, die vor dem 28. Juni 2025 installiert wurden und den damaligen Regeln entsprachen, dürfen weiterhin genutzt werden, bis sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, maximal jedoch 15 Jahre nach ihrer Inbetriebnahme.
Diese Übergangsvorschriften gelten nur für bestehende Geräte und laufende Verträge. Neue digitale Angebote wie Webseiten oder Apps müssen ab dem 28. Juni 2025 komplett barrierefrei sein.
Keine Übergangsfrist für E-Commerce: Die Übergangsfrist gilt nur für existierende Produkte und laufende Dienstleistungen, die barrierefrei sein müssen. So können z.B. ältere Smartphones oder Tablets, die nicht alle Anforderungen an Barrierefreiheit erfüllen, noch bis 2030 verkauft werden. Der Onlineshop, in dem sie verkauft werden, muss jedoch bereits ab 28. Juni 2025 barrierefrei sein.
Welche gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit existierten vor dem BFSG?
Vor dem BFSG existierten bereits Gesetze und Verordnungen zur Barrierefreiheit im öffentlichen Bereich, darunter:
- Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG): Regelt seit 2002 die Barrierefreiheit für öffentliche Stellen.
- Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0): Gilt ebenfalls seit 2002 für Bundesbehörden und teilweise für Landesverwaltungen.
Das BFSG sowie die dazu gehörende Verordnung ergänzen diese Gesetze und erweitert die Pflicht zur Barrierefreiheit erstmals auf die Privatwirtschaft.
Gilt das BFSG nur für Deutschland oder auch international?
Das BFSG gilt ausschließlich für Unternehmen, die in Deutschland tätig sind oder digitale Produkte und Dienstleistungen in Deutschland anbieten.
Da das BFSG jedoch auf einer EU-Richtlinie basiert und im Hinblick auf die Umsetzung dieselben Standards gelten, gleichen sich die EU-Gesetze überwiegend (z.B. das “Barrierefreiheitsgesetz” (BaFG) in Österreich).
Unternehmen, die europaweit agieren, müssen sich daher auf eine einheitliche Regulierung zur digitalen Barrierefreiheit in der gesamten EU einstellen.
Was ist die Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) und welche Rolle spielt sie?
Die Verordnung zum BFSG (BFSGV) ist eine ergänzende rechtliche Regelung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Während das BFSG allgemeine Vorgaben zur Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen macht, konkretisiert die BFSGV die technischen, organisatorischen und prozessualen Anforderungen, die Unternehmen umsetzen müssen (§ 3 Abs. 2 BFSG).
Die BFSGV selbst enthält vor allem Forderungen, deren Umsetzung nicht weiter präzisiert wird. Die BFSGV regelt daher insbesondere:
- Technische Standards, die für Barrierefreiheit erfüllt werden müssen.
- Prüfmechanismen zur Kontrolle der Einhaltung.
- Detaillierte Anforderungen an bestimmte Produktgruppen.
- Verfahrensregeln für Nachweise und Dokumentationen.
Regeln das BFSG und BFSGV konkrete Umsetzungsmaßnahmen?
Weder das BFSG noch die BFSGV geben spezifische Anweisungen zur Umsetzung ihrer Vorgaben. Die Verordnung definiert lediglich die zu gewährleistenden Funktionen und Ziele.
Beispielsweise fordert § 12 BFSGV, dass Informationen über mehrere sensorische Kanäle verständlich dargestellt werden müssen. § 19 BFSGV verlangt, dass Funktionen im elektronischen Geschäftsverkehr “wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust” gestaltet werden.
Das BFSG enthält jedoch eine “Konformitätsvermutung” (§4). Diese besagt, dass Produkte und Dienstleistungen, die “harmonisierten Normen” entsprechen, als barrierefrei gelten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Onlineangebote:
- Europäische Norm für digitale Barrierefreiheit: Die “Europäische Norm für digitale Barrierefreiheit für Produkte und -Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnologie” (EN 301 549) gilt als harmonisierte Norm.
- Web Content Accessibility Guidelines: Für Onlineangebote verweist die EN 301 549 im Kapitel 9 auf die “Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1“, die technische Standards definieren.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Web-Barriere-Standards durch das BFSG nun gesetzlich vorgeschrieben sind. Weitere Details zur Umsetzung der WCAG erfahren Sie weiter unten in diesem Ratgeber.
Was sind die Web Content Accessibility Guidelines?
Bei den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) handelt es sich um Richtlinien und Anleitungen für barrierefreie Webinhalte. Sie wurden bereits 1999 vom World Wide Web Consortium (W3C) erstellt, um Webdesign und Webentwicklung für Menschen mit Behinderungen so barrierefrei wie möglich zu gestalten.
Die WCAG entsprechen der ISO-Norm 40500 und liegen seit Dezember 2024 in der aktuellen Version 2.2 vor (abgekürzt WCAG 2.2).
Rechtlich betrachtet gelten Onlinedienste dann als barrierefrei, wenn sie die Web Content Accessibility Guidelines in der Version 2.1 erfüllen.
Wie unterscheiden sich WCAG 2.1 und WCAG 2.2
Die europäische Norm für digitale Barrierefreiheit (EN 301 549) besagt, dass Angebote, die die Web Content Accessibility Guidelines Version 2.1 (WCAG 2.1) beachten, als barrierefrei gelten. Die WCAG 2.1 werden jedoch regelmäßig aktualisiert, um neue technologische Entwicklungen zu berücksichtigen.
Es ist unproblematisch, wenn, wie im Fall der Version 2.2, die vorhergehende Version um weitere Barrierefreiheitsanforderungen erweitert wird, aber die bestehenden Anforderungen nicht aufhebt (also rückwärtskompatibel ist). Zu den wichtigsten Neuerungen in WCAG 2.2 gehören u.a.:
- Ziehen und Wischen: Funktionen, die eine Wisch- oder Ziehbewegung erfordern, müssen auch per Klick oder Tipp bedienbar sein.
- Barrierefreie Authentifizierung: Authentifizierungsmethoden dürfen keine kognitiven Funktionstests (z.B. Zahlenrätsel in Captchas) als einzige Option verlangen.
- Doppelte Eingabe vermeiden: Nutzer müssen Informationen, die sie bereits eingegeben haben, nicht erneut eintippen.
Diese Erweiterungen in WCAG 2.2 zielen darauf ab, die Zugänglichkeit weiter zu verbessern und auf neue technologische Entwicklungen zu reagieren. Obwohl die Erfüllung von WCAG 2.1 rechtlich ausreichend ist, bietet die Umsetzung von WCAG 2.2 einen noch umfassenderen Ansatz für Barrierefreiheit. Zudem ist damit zu rechnen, dass der bisherige Verweis in der EN 301 549 auf die WCAG 2.2 aktualisiert wird.
Wirkt sich das BFSG mittelbar auf andere Gesetze, wie z.B. die DSGVO, aus?
Es ist gut möglich, dass die Wirkung des BFSG über spezifische Produkte, Dienstleistungen oder E-Commerce hinausgeht und zum Maßstab für Zugänglichkeit und Verständlichkeit von Informationen in anderen Gesetzen wird.
Im Datenschutzrecht könnte dies besonders relevant werden. Denn sowohl für Datenschutzerklärungen als auch für datenschutzrechtliche Einwilligungen fordert die DSGVO Verständlichkeit und leichte Zugänglichkeit. Hier könnte das BFSG als Orientierung dienen, was als ausreichend verständlich und zugänglich gilt.
Diese mittelbare Wirkung ergibt sich aus dem objektiven Maßstab, den das BFSG für Verständlichkeit und Zugänglichkeit setzt und an dem sich Gerichte orientieren können.
Es empfiehlt sich daher, bei allen gesetzlich vorgeschriebenen Verbraucherinformationen aus Gründen der Rechtssicherheit eine barrierefreie Bereitstellung anzustreben, selbst wenn das BFSG nicht direkt anwendbar ist. Dies erhöht die Rechtssicherheit und kommt allen Nutzern zugute.
Anwendungsbereich des BFSG
Der folgende Abschnitt erläutert, welche Produkte und Dienstleistungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz reguliert werden und geht auf mögliche rechtliche Unklarheiten und ein.
Welche Produkte fallen unter das BFSG?
Gemäß § 1 Abs. 2 BFSG gilt das Gesetz für folgende Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden:
- Hardwaresysteme für Universalrechner für Verbraucher
- Notebooks und Desktop-Computer für private Nutzung.
- Tablets mit interaktiven Benutzeroberflächen.
- Betriebssysteme für Universalrechner, die für Verbraucher bestimmt sind.
- Selbstbedienungsterminals
- a) Zahlungsterminals sowie zugehörige Hardware und Software
- b) Selbstbedienungsterminals
- aa) Geldautomaten mit Sprachausgabe und barrierefreier PIN-Eingabe.
- bb) Fahrausweisautomaten mit alternativer Bedienung für sehbehinderte und motorisch eingeschränkte Personen.
- cc) Check-in-Automaten für Flughäfen, Hotels oder Bahnhöfe.
- dd) Interaktive Selbstbedienungsterminals zur Bereitstellung von Informationen, z. B. für Behörden oder öffentliche Einrichtungen.
- (Hinweis: Terminals, die als integrierte Bestandteile von Fahrzeugen, Luftfahrzeugen, Schiffen oder Schienenfahrzeugen eingebaut sind, sind ausgenommen.)
- Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang für Telekommunikationsdienste
- Smartphones, Tablets. Smarte-Gadgets, etc.
- Router zur Internetnutzung.
- Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten
- Smart-TVs mit barrierefreien Menüführungen und Untertiteloptionen.
- Streaming-Geräte mit Sprachausgabe und Kontrastanpassung.
- E-Book-Lesegeräte
Welche Dienstleistungen sind betroffen?
Gemäß § 1 Abs. 3 BFSG gilt das Gesetz für folgende Dienstleistungen, die für Verbraucher nach dem 28. Juni 2025 erbracht werden:
- Telekommunikationsdienste
- Internet- und Mobilfunkanbieter für Endverbraucher.
- Online-Kundenportale für Vertragsverwaltung.
- Personenbeförderungsdienste (Luft-, Bus-, Schienen- und Schiffsverkehr)
- a) Webseiten für Buchungen und Fahrpläne.
- b) Mobile Anwendungen (Apps) für Echtzeit-Informationen und Ticketbuchung.
- c) Elektronische Tickets und zugehörige Ticketdienste.
- d) Digitale Reiseinformationen, einschließlich Echtzeitdaten für Fahrgäste.
e) Interaktive Selbstbedienungsterminals, die nicht als feste Bestandteile von Fahrzeugen integriert sind.
- Bankdienstleistungen für Verbraucher
- Online-Banking-Plattformen und Banking-Apps.
- Digitale Kontoeröffnung und Authentifizierungsdienste.
- Automatisierte Zahlungssysteme und bargeldlose Bezahloptionen.
- E-Books und hierfür bestimmte Software
- E-Books.
- Software zur Verwaltung und Nutzung digitaler Bücher.
- Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr
- Online-Shops und digitale Verkaufsplattformen für Verbraucher.
- Buchungsportale für Reisen, Veranstaltungen oder Unterkünfte.
- Formulare und Apps für digitale Vertragsabschlüsse und Kundenportale für Dienstleistungen.
Welche Ausnahmen gelten für Produkte und Dienstleistungen?
Das BFSG gilt nicht für bestimmte digitale Inhalte, die von der Barrierefreiheitsanforderung ausgenommen sind (§ 1 Abs. 4 BFSG). Diese Ausnahmen betreffen bestehende Inhalte, externe Inhalte und spezielle Anwendungsfälle:
- Zeitbasierte Medien, die vor dem 28. Juni 2025 veröffentlicht wurden: Videos, Podcasts und andere aufgezeichnete Inhalte (sofern sie unter das BFSG fallen [LINK]), die vor dem Stichtag online gestellt wurden, müssen nicht nachträglich barrierefrei gemacht werden. Beispiel Produktvideos.
- Dateiformate von Büro-Anwendungen, die vor dem 28. Juni 2025 veröffentlicht wurden: Dokumente, Tabellen und Präsentationen, sofern sie unter das BFSG fallen [LINK], die vor dem Stichtag erstellt wurden, unterliegen nicht den neuen Barrierefreiheitsanforderungen. Beispiel: Alte Word- oder Excel-Dateien mit Produktinformationen.
- Online-Karten und Kartendienste: Geografische Karten und Navigationsdienste sind grundsätzlich von der Barrierefreiheitspflicht ausgenommen, sofern wesentliche Navigationsinformationen separat bereitgestellt werden.
- Inhalte von Dritten, die nicht unter der Kontrolle des Anbieters stehen: Inhalte, die nicht vom Betreiber der Webseite oder App finanziert, entwickelt oder kontrolliert werden, sind ausgenommen. Wer eingebettete externe Inhalte von Drittanbietern (z. B. ein YouTube-Video im Onlineshop) einbindet, muss dennoch sicherstellen, dass sie barrierefrei sind, denn er entscheidet, also kontrolliert, ob sie eingebunden werden oder nicht.
- Webseiten- und App-Inhalte, die als Archive gelten: Ältere Webseiten oder mobile Apps, die nach dem 28. Juni 2025 nicht mehr aktualisiert oder überarbeitet werden, sind ausgenommen. Beispiel: Ein altes Online-Archiv mit alten Produkten muss nicht barrierefrei sein, wenn das Archiv nicht mehr geändert wird (wie z.B. Archive vergangener Jahre).
Wer ist vom BFSG betroffen?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) betrifft alle Unternehmen und Wirtschaftsakteure, die Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher in der EU anbieten, sofern diese unter das Gesetz fallen. Dazu gehören vor allem:
- Hersteller, die Produkte entwickeln und in Verkehr bringen (§ 2 Nr. 11 BFSG).
- Händler und Verkäufer, die betroffene Produkte an Endkunden verkaufen (§ 2 Nr. 11 und 14 BFSG).
- Einführer und Importeure, die Produkte aus dem Ausland auf den Markt bringen (§ 2 Nr. 13 BFSG).
- Dienstleistungserbringer, die Dienstleistungen, wie z.B. E-Commerce-Angebote, bereitstellen (§ 2 Nr. 15 BFSG).
Zu den betroffene Branchen gehören insbesondere:
1. Online- und stationärer Handel (E-Commerce & Einzelhandel)
- Stationäre und Online-Händler, die Produkte verkaufen, die dem BFSG unterliegen (z. B. Smartphones oder E-Books).
- Online-Shops und digitale Marktplätze oder Buchungsseiten unabhängig vom Sortiment und Angebot.
2. Finanz- und Bankwesen
- Online-Banking und Finanzplattformen.
- Banken und Sparkassen, die digitale Dienste anbieten.
- Zahlungsdienstleister (z. B. PayPal, Kreditkartenanbieter, POS-Terminals).
3. Telekommunikationsanbieter
- Mobilfunkanbieter, Internetprovider, Messenger-Dienste.
- Verkäufer von Smartphones, Routern und internetfähigen Geräten.
4. Transport und Mobilität
- Online-Ticketanbieter für Bahn, Flug, Bus.
- Automatenbetreiber (z. B. Fahrkarten- und Check-in-Terminals).
- Fahrdienstleister (z. B. Taxi- und Ride-Sharing-Apps).
5. Unterhaltung und digitale Medien
- Streaming-Plattformen für Musik, Filme, E-Books.
- E-Book-Anbieter und digitale Bibliotheken.
- Anbieter von audiovisuellen Mediengeräten.
6. Hardware- und Software-Hersteller
- Produzenten von Smartphones, Tablets, Laptops, Smart-TVs.
- Betriebssystem-Entwickler und Softwareanbieter.
- Unternehmen, die interaktive Selbstbedienungsterminals herstellen (z. B. Geldautomaten, Check-in-Systeme, Ticketautomaten).
Gilt das BFSG auch für Behörden und öffentlich-rechtliche Anstalten?
Behörden, öffentlich-rechtliche Einrichtungen und Anstalten (z.B. Schulen) unterliegen nicht dem BFSG. Sie sind bereits durch das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet.
Das BFSG kann dennoch zur Anwendung kommen, wenn öffentlich-rechtliche Stellen sich privatrechtlich betätigen und wie Unternehmen handeln und z.B. eine GmbH gründen, die einen Onlineshop betreibt.
Daher müssen private Unternehmen, die Dienstleistungen im Auftrag öffentlicher Stellen erbringen, möglicherweise sowohl das BFSG als auch das BGG beachten. Beispielsweise eine Webentwicklungsagentur, das eine Verwaltungsplattform für eine Behörde entwickelt.
Gilt das BFSG für Privatpersonen?
Nein, Privatpersonen, die keine gewerblichen Produkte oder Dienstleistungen als Unternehmen oder Selbständige gegenüber Vebrauchern anbieten, sind vom BFSG nicht betroffen.
Das bedeutet:
- Private Blogs oder persönliche Websites unterliegen nicht dem BFSG, solange sie keinen Online-Shop angeschlossen haben.
- Kleine Hobby-Websites oder Vereine, die keine gewerblichen Dienstleistungen anbieten, müssen sich nicht an die Anforderungen des BFSG halten.
Welche Unternehmen sind von der Pflicht befreit?
Nicht alle Unternehmen müssen das BFSG einhalten. Kleinstunternehmen, die folgende Voraussetzungen erfüllen, sind gemäß § 3 Abs. 3 BFSG von der Verpflichtung zur Barrierefreiheit befreit.
- Weniger als 10 Beschäftigte: Das Unternehmen muss weniger als 10 Beschäftigte haben UND
- Maximal 2. Mio. Umsatz: Der Jahresumsatz oder eine Bilanzsumme dürfen maximal 2 Millionen Euro betragen.
Aber Vorsicht, diese Ausnahme gilt jedoch nur für Dienstleistungen, nicht für Produkte. Das bedeutet:
- Ein kleiner Händler mit Mitarbeitern muss seinen Onlineshop für E-Books nicht barrierefrei gestaltet.
- Die in dem Shop verkauften E-Books müssen jedoch barrierefrei sind.
Berechnung der Mitarbeiterzahl: Die Berechnung erfolgt nach der Anzahl der Beschäftigten, wobei Teilzeitbeschäftigte anteilig und Auszubildende gar nicht einbezogen werden (Artikel 5 des Anhangs zur Empfehlung der EU-Kommission 2003/361/EG. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Ein Unternehmen mit 9 Mitarbeitern in Vollzeit, einer Kraft in Halbzeit sowie 2 Auszubildenden würde unter die Ausnahmen fallen. Denn die Mitarbeiterzahl im Sinne des BFSG betrüge 9,5 (9 Vollzeitbeschäftigte plus 0,5 für die Halbzeitkraft) und damit nicht mehr als 10 Beschäftigte. Die Auszubildenden werden in dieser Berechnung nicht berücksichtigt.
Wann gilt die Ausnahme wegen einer grundlegenden Veränderung?
Die Barrierefreiheitsanforderungen gelten nur insoweit, als deren Einhaltung keine wesentliche Änderung eines Produkts oder einer Dienstleistung erfordert, die zu einer grundlegenden Veränderung der Wesensmerkmale des Produkts oder der Dienstleistung führt (§ 16 BFSG).
Eine grundlegende Veränderung liegt vor, wenn die Umsetzung der Barrierefreiheit wesentliche Eigenschaften eines Produkts oder einer Dienstleistung erheblich beeinträchtigen würde. Dadurch verliert das Produkt oder die Dienstleistung seinen ursprünglichen Charakter.
Beispiele für eine grundlegende Veränderung:
- Ein extrem leichtes E-Book-Lesegerät würde durch zusätzliche Tasten oder Sprachausgabe so schwer und unhandlich, dass es seine Hauptfunktion – maximale Mobilität – verliert.
- Ein medizinisches Notfallgerät wie ein Defibrillator könnte durch zusätzliche Bedienfunktionen in seiner schnellen Einsatzfähigkeit beeinträchtigt werden.
- Eine minimalistische App, die ausschließlich per Wischgeste gesteuert wird, müsste umfangreiche alternative Eingabemethoden anbieten und würde ihr ursprüngliches Nutzungskonzept aufgeben.
Die Inanspruchnahme der Ausnahme setzt zudem folgende Maßnahmen voraus:
- Die Bewertung der grundlegenden Veränderung muss dokumentiert werden.
- Die Dokumentation muss mindestens fünf Jahre aufbewahrt und auf Anfrage der Behörde vorgelegt werden (§ 16 Abs. 2 BFSG).
- Die Marktüberwachungsbehörden müssen unverzüglich informiert werden.
Ist eine Ausnahme wegen grundlegender Veränderung auch im E-Commerce denkbar? Im Bereich des E-Commerce ist eine Berufung auf eine grundlegende Veränderung nur schwer vorstellbar. Typische E-Commerce-Angebote, wie Online-Shops, Buchungsportale oder Anmeldeformulare, können in der Regel ohne grundlegende Veränderung barrierefrei gestaltet werden (z.B. durch Anpassungen der Navigation, Alternativtexte oder Tastaturbedienbarkeit). Lediglich in sehr speziellen Ausnahmefällen, etwa bei extrem reduzierten, bewusst minimalistischen Designkonzepten, könnte eine Barrierefreiheit so tief in die Gestaltung eingreifen, dass die Kernidee des Angebots zerstört würde. Solche Fälle dürften jedoch in der Praxis äußerst selten sein.
Wann kann eine Befreiung wegen unverhältnismäßiger Belastung beantragt werden?
Eine Befreiung von der Barrierefreiheitspflicht kann beantragt werden, wenn eine unverhältnismäßige Belastung nachgewiesen wird (§ 17 BFSG). Dies soll sicherstellen, dass die Anforderungen an Barrierefreiheit nicht zu einer übermäßigen wirtschaftlichen Belastung für Unternehmen führen.
Voraussetzungen für eine Befreiung:
- Technische Nicht-Machbarkeit der Anpassungen:
- Die erforderlichen Änderungen sind mit den verfügbaren Technologien nicht umsetzbar.
- Eine Anpassung würde die grundlegende Beschaffenheit des Produkts oder der Dienstleistung wesentlich verändern.
- Unverhältnismäßig hohe Kosten, die den wirtschaftlichen Betrieb gefährden:
- Die Kosten für die Umsetzung der Barrierefreiheit übersteigen den erwarteten Nutzen erheblich.
- Die Investitionen würden die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens überfordern.
- Keine wirtschaftlich vertretbare Alternative zur Umsetzung der Barrierefreiheit:
- Es existieren keine kostengünstigeren Lösungen, um die Barrierefreiheitsanforderungen zu erfüllen.
- Alternative Ansätze würden die Qualität oder Funktionalität des Produkts oder der Dienstleistung signifikant beeinträchtigen.
- Unverhältnismäßiger organisatorischer Aufwand: Die Umsetzung der Barrierefreiheit würde tiefgreifende Änderungen in der Unternehmensstruktur oder den Arbeitsabläufen erfordern.
- Wesentliche negative Auswirkungen auf den Markt: Die Anpassungen würden zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung führen.
Unternehmen müssen eine detaillierte Dokumentation einreichen und belegen, dass bereits zumutbare Maßnahmen ergriffen wurden. Dies beinhaltet:
- Eine genaue Beschreibung der aktuellen Situation und der geplanten Maßnahmen.
- Eine Kostenaufstellung für die Umsetzung der Barrierefreiheit.
- Nachweis über bereits unternommene Schritte zur Verbesserung der Zugänglichkeit.
- Eine Analyse der Auswirkungen auf das Unternehmen und den Markt.
- Erläuterung, warum alternative Lösungen nicht möglich oder zumutbar sind.
Die Beurteilung muss regelmäßig, mindestens alle fünf Jahre, überprüft und aktualisiert werden. Kleinstunternehmen (weniger als 10 Mitarbeiter und maximal 2 Mio. Umsatz) genießen gewisse Erleichterungen bei den Dokumentationspflichten, müssen aber auf Anfrage relevante Informationen bereitstellen können.
Es ist zu beachten, dass die Gewährung einer Befreiung im Ermessen der zuständigen Behörden liegt und im Einzelfall geprüft wird. Unternehmen sollten trotz einer möglichen Befreiung stets bemüht sein, die bestmögliche Zugänglichkeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu gewährleisten.
Bußgelder, Abmahnungen und andere Sanktionen
In diesem Abschnitt erfahren Sie, welche Sanktionen Unternehmen bei Verstößen gegen das BFSG drohen, einschließlich möglicher Maßnahmen durch Marktüberwachungsbehörden, Bußgeldern, Abmahnungen und Schadensersatzansprüchen.
Welche Sanktionen drohen Unternehmen bei Verstößen gegen das BFSG?
Unternehmen, die gegen das BFSG verstoßen, müssen mit verschiedenen Sanktionen rechnen (§§ 22 bis 31 BFSG):
- Marktüberwachungsbehörden
- Können durch Stichproben oder Hinweise auf Barrierefreiheitsverstöße aufmerksam werden.
- Aufforderung zur Stellungnahme als erster Schritt.
- Anordnung von Nachbesserungen, bzw. Korrekturen, falls Barrierefreiheitsmängel vorliegen.
- Durchsetzungsmaßnahmen, wie z.B. Zwangsgeld oder Ersatzvornahme.
- Verkaufsverbote, bzw. Einschränkungen für Produkte, die nicht barrierefrei sind.
- Untersagungen für Dienstleistungen, die nicht barrierefrei sind.
- Verkaufsverbote, bzw. Einschränkungen für Produkte, die nicht barrierefrei sind.
- Untersagungen für Dienstleistungen, die nicht barrierefrei sind.
- Bußgelder von bis zu 10.0000, bzw. bis zu 100.000 Euro je nach Schwere des Verstoßes (§ 37 BFSG).
- Abmahnungen
- Durch klagebefugte Organisationen.
- Durch Mitbewerber wegen Verstoßes gegen einer marktregulierende Vorschrift gem. § 3a UWG.
- Durch Barrieren betroffene Personen.
- Schadensersatzforderungen, wenn Verbraucher oder Nutzer durch fehlende Barrierefreiheit Schäden erleiden.
Wer ist für die Kontrolle der Einhaltung des BFSG zuständig?
Die Kontrolle und Einhaltung des BFSG wird von der neuen zentrale Marktüberwachungsbehörde der Länder überwacht. Ihr Name lautet “Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen” und der Sitz ist in Magdeburg, Sachsen-Anhalt.
Zu den Hauptaufgaben der Marktüberwachungsstelle gehören:
- Erstellung einer Marktüberwachungsstrategie.
- Zentraler Ansprechpartner für die Verbindungsstelle.
- Information der Öffentlichkeit zur Umsetzung des BFSG.
- Koordination von Maßnahmen zur Marktüberwachung.
- Berichterstattung an die EU-Kommission.
Besteht ein Schadensersatzanspruch behinderter Personen?
Ein Schadensersatzanspruch ist zum einen dann zu denken, wenn er ausdrücklich festgelegt wird oder die fehlende Barrierefreiheit sonst kausal und zurechenbar zu einem Schaden führt.
- Direkter Anspruch aus dem BFSG: Das BFSG gewährt behinderten Personen keinen direkten Schadensersatzanspruch, sondern nur ein Beschwerderecht.
- Allgemeinen Gleichstellungsgesetz und Deliktsrecht: Behinderte Personen könnten Schadensersatz bekommen, wenn sie zeigen können, dass der fehlende Zugang zu Informationen einen Schaden verursacht hat, wie etwa einen Unfall mit einem Produkt ohne verständliche Anleitungen. Auch das Allgemeine Gleichstellungsgesetz könnte helfen, wenn man beweisen kann, dass es zu einer ungerechten Benachteiligung gekommen ist. Wichtig ist jedoch, nachweisen zu können, dass der Schaden direkt durch die fehlende Barrierefreiheit entstanden ist.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass auch wenn das BFSG selbst keine unmittelbaren Schadensersatzansprüche gewährt, Sie dieses Risiko dennoch nicht außer Acht lassen sollten. Denn fehlende Barrierefreiheit und damit Unzugänglichkeit von Informationen kann auch zum Schadensersatz behinderter Personen führen.
Geltung des BFSG für E-Commerce-Angebote
In diesem Abschnitt erfahren Sie, inwieweit das BFSG auf E-Commerce-Angebote und deren Webseiten Anwendung findet. Dabei wird erklärt, welche Onlineplattformen und digitalen Dienstleistungen die gesetzlichen Anforderungen erfüllen müssen und welche spezifischen Aspekte, wie z.B. Online-Shops und Buchungsportale, relevant sind. Zudem wird auf unterschiedliche Anwendungsfälle und potenzielle Abgrenzungsschwierigkeiten eingegangen.
Sind alle Websites vom BFSG betroffen?
Nein, das BFSG betrifft nicht alle Webseiten, sondern nur solche, die “Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr” darstellen.
Die gesetzliche Definition für “Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr” lautet im § 2 Nr. 26 BFSG:
“Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden”
Umfasst sind also zunächst nur alle Webseiten oder mobile Applikationen, auf denen Verbraucher Produkte kaufen oder Leistungen buchen können:
- Online-Shops und digitale Verkaufsplattformen für Verbraucher.
- Buchungsportale für Reisen, Veranstaltungen oder Unterkünfte.
- Formulare und Apps für digitale Vertragsabschlüsse und Kundenportale für Dienstleistungen.
Abgrenzungsschwierigkeiten können jedoch bei der Frage entstehen, wann ein Vertrag mit einem Verbraucher abgeschlossen wird und wann Webseiten sowie mobile Apps auf diesen Abschluss hinwirken.
Sind alle digitalen Dienstleistungen betroffen?
Nein, laut Gesetz nur solche Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr betroffen, “die im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden” (§ 1 Abs. 3 Nr. 5 BDSG).
Daher muss z.B. das Registrierungsformular bei einer Onlineplattform oder die Anmeldung zur kostenpflichtigen mobilen App oder Website barrierefrei sein, aber nicht die Anwendung selbst.
Allerdings wird die fehlende Barrierefreiheit in dem Fall nach Maßgabe des BFSG einen Mangel der digitalen Dienstleistung mit den im § 327i BGB genannten Folgen für digitale Produkte dieser Art darstellen. Z.B. wenn die Bedienoberfläche eine kostenpflichtigen Applikation nicht barrierefrei ist.
Gewährleistung für digitale Produkte: Was digitale Produkte sind und wie deren Gewährleistung ausgestaltet ist, erfahren Sie in unserem Beitrag “Gewährleistung und Mängelhaftung für Waren und digitale Produkte“.
Gilt das BFSG auch für B2B-Angebote?
Nein, das BFSG gilt ausschließlich für Angebote, die sich an Verbraucher (B2C) richten. Gemäß § 1 Abs. 3 BFSG betrifft das Gesetz Verbraucherverträge, also Vertragsabschlüsse zwischen Unternehmen und privaten Endkunden.
Das bedeutet:
- Reine B2B-Angebote: Reine B2B-Händler oder B2B-Onlineshops die nur an Geschäftskunden verkaufen, sind vom BFSG nicht betroffen.
- Hybride Angebote: E-Commerce-Angebote, die sowohl für B2B- als auch B2C-Kunden nutzbar sind, müssen insgesamt barrierefrei gestaltet werden.
Um sicherzugehen, dass keine Verbraucher angesprochen werden, sollten B2B-Anbieter ihre Geschäftsbedingungen klar formulieren sowie Hinweise direkt beim Angebot aufnehmen oder technische Zugangsvorkehrungen, z.B. eine Freischaltung, treffen, um Bestellungen durch Endkerbraucher auszuschließen.
Welche Webseiten eines Onlineangebots unterfallen dem BFSG?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) gilt für alle digitalen Angebote, die Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher bereitstellen oder den Vertragsabschluss ermöglichen. Allerdings unterliegt nicht jede Unterseite eines Onlineangebots automatisch den gesetzlichen Anforderungen.
Der Grundsatz ist, dass Webseiten oder Unterseiten, die direkt zur Nutzung eines dem BFSG unterfallenden digitalen Dienste oder zum Kauf eines Produkts bei E-Commerce führen, barrierefrei sein müssen. Rein informative Webseiten oder Werbeanzeigen sind dagegen nicht zwingend betroffen.
Zwischen diesen beiden Polen bestehen jedoch rechtliche Unklarheiten, die im folgenden Abschnitt erläutert werden.
Welche Bestandteile eines Onlineangebots unterfallen dem BFSG?
- Webseiten mit Warenkorbfunktion: Alle Seiten, auf denen Verbraucher Produkte oder Dienstleistungen in einen Warenkorb legen oder direkt kaufen bzw. buchen können, müssen barrierefrei sein.
- Produktdetailseiten: Produktdetailseiten innerhalb eines E-Commerce-Angebots fallen ebenfalls unter das BFSG. Auch wenn sie keine direkte Warenkorbfunktion haben, aber detaillierte Produktbeschreibungen oder Links zu einem Bestellformular enthalten, sollten sie als Teil der Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr betrachtet werden. Es gibt zwar noch keine Gerichtsentscheidungen dazu, doch die Rechtsprechung ist generell verbraucherfreundlich und könnte aufgrund des funktionellen Zusammenhangs von einem Hinwirken auf den Vertragsschluss ausgehen.
- Startseite eines Onlineshops: Die Startseite eines Onlineshops wird ebenso als Bestandteil des E-Commerce-Angebots wahrgenommen. Es ist davon auszugehen, dass auch hier Gerichte von einem Hinwirken auf den Vertragsabschluss ausgehen werden.
- Warenkorb- und Checkout-Seiten: Der Warenkorb und der gesamte Zahlungs- und Kassenprozess sind wesentliche Bestandteile eines Online-Shops und müssen barrierefrei gestaltet sein.
- Registrierungsformulare: Registrierungsformulare, die genutzt werden, um ein Kundenkonto anzulegen, fallen ebenfalls unter das BFSG. Dies liegt daran, dass das Kundenkonto Teil der Vertragsbeziehung zwischen Anbieter und Kunde ist und das Formular dazu dient, diese Beziehung einzugehen.
- Support-Seiten: Support-Seiten unterfallen nur dann nicht dem BFSG, wenn sie ausschließlich für den Kundenservice nach Vertragsabschluss gedacht sind. Falls jedoch Kunden den Support kontaktieren, um Informationen für eine Kaufentscheidung zu erhalten, ist das BFSG anwendbar. Im Zweifel sollten Unternehmen klarstellen, dass bestimmte Supportbereiche nur nach Vertragsschluss zur Verfügung stehen oder sonst barrierefrei sind.
- Kündigungs- und Widerrufsbereiche: Kündigungsformulare oder Online-Widerrufsmöglichkeiten müssen nicht zwingend barrierefrei sein, da das BFSG nur für Dienstleistungen gilt, die auf den Vertragsabschluss abzielen. Allerdings stellt auch das Verbraucherrecht (z. B. § 312k BGB) Anforderungen an lesbare Informationen, sodass eine barrierefreie Gestaltung indirekt über das Verbraucherrecht erforderlich ist, damit z.B. auch sehbeeinträchtigte Verbrauche sie nutzen können.
- AGB, Datenschutz- und Widerrufsbelehrungen: Da diese Regelungen und Informationen Teil der Vertragsgrundlage werden, bzw. für eine Vorabprüfung der Konditionen relevant sind, wirken sie entsprechend auf den Vertragsschluss hin und müssen barrierefrei bereitgestellt werden.
- Angaben zu Versandkosten und Zahlungsmitteln: Angaben zu Versandkosten und verfügbaren Zahlungsmethoden sind essenzielle Verbraucherinformationen und müssen barrierefrei zugänglich sein.
Welche Bestandteile eines Onlineangebots fallen nicht unter das BFSG?
Webseiten und Apps, die ausschließlich Informationsangebote ohne Transaktionsmöglichkeit darstellen und nicht unmittelbar auf den Vertragsschluss mit Verbrauchern hinwirken, fallen nicht unter das BFSG.
- Blog-Artikel oder News-Seiten: Blog-Artikel oder News-Seiten, die nur allgemeine Informationen oder redaktionelle Inhalte bereitstellen, unterliegen nicht automatisch dem BFSG.
- Werbeanzeigen: Werbeanzeigen, die lediglich der Information dienen und keine interaktiven Elemente enthalten, über die Bestellungen direkt aus der Anzeige heraus getätigt werden können, unterfallen nicht dem BFSG.
- Informationsseiten über das Unternehmen: Webseiten, die lediglich Informationen zum Unternehmen bereitstellen, ohne eine direkte Kauf- oder Buchungsmöglichkeit anzubieten, sind nicht vom BFSG betroffen.
Rechtliche Unklarheiten: Bitte bedenken Sie, dass im Hinblick auf die Reichweite des BFSG eine Vielzahl an Unklarheiten besteht. Wenn Sie keine Risiken eingehen möchten, sollten Sie möglichst das vollständige E-Commerce-Angebot, samt der Kommunikationswege via Kontaktformular barrierefrei gestalten.
Unterliegt Werbung für Offline-Produkte dem BFSG?
Die Anwendbarkeit des BFSG auf Websites hängt von deren Funktionalität ab. Reine Informationsseiten, wie die eines Gartencenters ohne Online-Verkauf oder eines Zahnarztbetriebes, fallen grundsätzlich nicht unter das BFSG. Sie gelten als Werbung, die nicht direkt auf einen Vertragsabschluss abzielt.
Jedoch ändert sich die Situation, sobald die Website interaktive Elemente enthält, die auf einen Vertragsschluss hinwirken. Dies kann beispielsweise eine Online-Terminbuchung für Dienstleistungen oder eine Anfragemöglichkeit für Produktvorführungen sein. In solchen Fällen müssen sowohl die Produktpräsentation als auch der Buchungs- oder Anfrageprozess den BFSG-Anforderungen entsprechen.
Es ist daher wichtig, jede Website individuell zu prüfen. Auch wenn kein direkter Online-Verkauf stattfindet, können bestimmte Funktionen die Anwendbarkeit des BFSG auslösen. Die Grenze zwischen reiner Information und vertragsanbahnenden Funktionen ist oft fließend und erfordert eine sorgfältige Beurteilung.
Unterfallen Kontaktformulare dem BFSG?
Ob ein Kontaktformular dem BFSG unterliegt, hängt davon ab, ob es unmittelbar auf den Vertragsschluss hinwirkt:
- Kontaktformulare als Teil eines E-Commerce-Angebots: Wenn ein Kontaktformular in einen Online-Shop integriert ist, besteht die Möglichkeit, dass Gerichte dies als Hinwirken auf einen Vertragsschluss werten. Zudem könnte ein abmahnwilliger Mitbewerber testweise eine „kurze Frage vor dem Klick auf den Kauf-Button“ stellen und die Antwort als Nachweis für die Nutzung des Formulars zur Vertragsanbahnung heranziehen.
- Buchungsformulare: Auch Formulare für verbindliche Buchungen (z. B. Arzttermine, Hotelreservierungen, Mietwagen) unterfallen dem BFSG, die sie auf den Vertragsabschluss unmittelbar hinwirken.
- Formulare für Terminvereinbarungen: Wenn ein Termin zur kostenpflichtigen Inanspruchnahme einer Dienstleistung führt, dann ist bereits das Terminvereinbarungsformular als Teil des Vertragsabschlusses anzusehen und muss barrierefrei sein (z.B. Online-Terminvereinbarung mit einem Rechtsanwalt oder Zahnarzt).
- Allgemeine Kontaktformulare auf Webseiten: Kontaktformulare, die nicht Teil eines E-Commerce-Angebots sind, unterfallen in der Regel nicht dem BFSG. Zwar können über solche Formulare Vertragsanfragen gestellt werden, doch im Gegensatz zu einem Formular innerhalb eines Online-Shops fehlt die gezielte Nutzung für Vertragsabschlüsse. Ausnahme: Falls auf der Webseite ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Bestellungen über das Kontaktformular getätigt werden können, wäre das Formular als Teil eines E-Commerce-Angebots zu betrachten und müsste barrierefrei gestaltet sein.
- Service-Kanäle für Käufer: Kontakt- oder Serviceformulare, die ausdrücklich für bestehende Kunden gedacht sind, z. B. für Rückfragen zu Produkten, Widerrufe oder Gewährleistungsfälle, unterfallen nicht dem BFSG. Da sie nicht auf den Vertragsabschluss hinwirken, sondern erst nach Vertragsschluss genutzt werden, gelten sie nicht als Teil eines E-Commerce-Angebots.
Unterfallen auch E-Mails und Newsletter dem BFSG?
Ob E-Mails unter das BFSG fallen, ist rechtlich nicht geklärt. Unter einer “Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr” versteht der Gesetzgeber (Hervorhebung vom Verfasser),
“Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden“.
Dieser Gesetzeswortlaut spricht bereits dagegen, dass E-Mails unter das BFSG fallen. Sollten E-Mails dennoch als Teil der Webseite verstanden werden, dann müssten die E-Mails zudem auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags hinwirken, also Teil des Verkaufsprozesses sein:
- Gesetzlich verpflichtende Transaktions-E-Mails: Nicht unter das BFSG fallen gesetzlich verpflichtende Transaktionsemails. Sie wirken nicht auf den Vertragsschluss hin, sondern werden nach dessen Abschluss versendet. Dazu gehören vor allem E-Mails mit den folgenden Inhalten: Bestellbestätigungen, Rechnungen, Versandbenachrichtigungen, Willkommensnachrichten nach Registrierung oder Double-Opt-In-E-Mails.
- Werbemailings: Unklar ist, inwieweit E-Mails mit werblichen Inhalten dem BFSG unterfallen werden. Hier ist vorstellbar, dass Gerichte die Ausgestaltung der Newsletter als Maßstab ihrer Entscheidung nehmen werden.
- Newsletter mit allgemeinen Informationen: Sind Newsletter bloß informatorisch und stellen allgemein Produkte vor, ohne Preisangaben mit Links zu den Bestellmöglichkeiten, dann sind sie informatorisch und unterfallen nicht dem BFSG.
- Newsletter mit konkretem Produktangebot: Gleichen die Newsletter einer Produktbestellseite, enthalten also Informationen zu dem Produkt und dem Preis sowie eine verlinkte Kaufaufforderung, dann kann man argumentieren, dass die Newsletter auf den Vertragsschluss hinwirken.
- Beantwortung von Kundenanfragen: Ebenso nicht gänzlich geklärt ist, inwieweit E-Mails, die auf Anfragen von Kunden hin versendet werden, dem BFSG unterfallen:
- Allgemeine Auskünfte: Wenn Kunden sich allgemein zu Produkten informieren, dann spricht dies dafür, derartige Kommunikation der Werbung gleichzustellen, so dass sie nicht dem BFSG unterfallen.
- Im Hinblick auf einen konkreten Vertragsschluss gerichtete Anfragen: Werden hingegen Anfragen im Hinblick auf einen konkreten Vertragsschluss gerichtet, z.B. werden von Kunden Rabatte erfragt, oder es wird angekündigt, dass noch eine Rückfrage vor Vertragsschluss besteht, dann kommt das BFSG zur Anwendung.
- Service-E-Mails nach dem Vertragsschluss: Der E-Mailverkehr nach dem Vertragsschluss, d.h. Bestellung oder Buchung, unterfällt nicht mehr dem BFSG, da diese E-Mails nicht auf den Verkauf hinwirken.
Zusammenfassend sprechen die besseren Argumente dafür, dass E-Mails eher nicht unter das BFSG fallen.
Wenn Sie jedoch gar keine Risiken eingehen möchten, dann sollten Sie zumindest Werbemailings mit konkreten Angeboten barrierefrei gestalten. Dies ist jedoch in der Praxis ohnehin häufig der Fall und es muss darauf geachtet werden, dass Grafiken mit Informationen (z.B. mit Preisangaben) entsprechende Alternativtexte erhalten.
Müssen Messenger-Nachrichten barrierefrei sein?
Für Messenger-Nachrichten gilt zunächst dasselbe wie für E-Mails. Der Wortlaut des Gesetzes spricht dafür, dass nur auf einen Vertragsschluss mit Verbrauchern gerichtete Webseiten und Apps, sogenannte Telemedien, dem BFSG unterfallen. Messenger sind jedoch keine Telemedien, sondern ebenso wie E-Mail-Versand-Angebote Telekommunikationsdienste (§ 3 Nr. 24 TKG).
Aber auch wenn man das BFSG auf Messenger-Nachrichten erstrecken würde, muss dennoch geprüft werden, ob die Messenger-Nachrichten auf den Vertragsschluss mit Verbrauchern hinwirken:
- Messenger als Verkaufskanal: Wenn Messenger zur Entgegennahme von Bestellungen genutzt werden, fallen sie unter das BFSG, da sie wesentlich zum Vertragsabschluss beitragen.
- Newsletterartige Beiträge: Bei werblichen Inhalten mit konkreten Angeboten (Preis, Produktlink) könnten Gerichte Messengernachrichten als vom BFSG umfasst betrachten, ähnlich wie bei Newslettern.
Wie bei E-Mails, so spricht auch bei Messenger-Nachrichten der Gesetzeswortlaut gegen die Anwendbarkeit des BFSG.
Wenn das BFSG dennoch für Messenger gelten sollte, müssen Unternehmen auf die Barrierefreiheit der Inhalte ihrer Nachrichten achten. Das heißt in erster Linie, dass wichtige Informationen wie Preise nicht nur in Bildern, sondern auch in Textform bereitgestellt werden müssen.
Verpflichtung der Messenger-Anbieter: Anbieter von Messengern sind gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 BFSG ohnehin verpflichtet, ihre Dienste barrierefrei anzubieten.
Müssen Live-Chats Barrierefrei sein?
Live-Chats sind in der Regel Teil von Webseiten oder mobilen Apps und fallen daher unter das BFSG. Wie bei anderen Elementen hängt es auch bei Live-Chats davon ab, wie sie eingesetzt werden:
- Verkaufsorientierte Live-Chats: Wenn Live-Chats als Verkaufskanal genutzt werden, um Kunden bei Produktauswahl und Bestellung zu unterstützen oder Fragen zum Kaufprozess zu beantworten, fallen sie unter das BFSG. In diesem Fall wirken sie wesentlich auf den Vertragsabschluss hin.
- Allgemeiner Kundenservice: Live-Chats, die nur für allgemeine Kundenanfragen oder technischen Support verwendet werden, ohne direkten Bezug zum Verkaufsprozess, fallen nicht unter das BFSG.
Achten Sie bei der Wahl von Anbietern von Live-Chat-Systemen darauf, dass die Chatsysteme barrierefrei sind und achten auch inhaltlich, dass alle Texte für Screenreader zugänglich oder vorgelesen werden können.
Unterfallen Videos und Livestreams dem BFSG?
Videos und Livestreams fallen nur dann unter das BFSG, wenn sie aktiv auf einen konkreten Vertragsabschluss hinwirken. Dies trifft beispielsweise in folgenden Szenarien zu:
- In Produktdetailseiten eingebundene Videos: Sind Produktvideos ein Teil der Produktbeschreibung, dann unterfallen sie dem BFSG.
- Livestreams mit Käuferberatung: Werden innerhalb von E-Commerce-Angeboten Chats angeboten, dann besteht die Möglichkeit, dass Kunden mittels dieser zu Käufen überzeugt werden oder sich noch zum Vertragsschluss fehlende Informationen einholen. Demzufolge müssen auch derartige Live-Chats barrierefrei sein und z.B. eine Speech-to-Text-Funktion anbieten.
- Verkaufsshows: Wenn ein Video oder ein Livestream ähnlich einem Teleshoppingkanal Produkte präsentieren, den Preis nennen und auf Kaufmöglichkeiten hinweisen, dann müssen sie das BFSG beachten und insbesondere Untertitel anbieten, auch für die eingeblendeten Preis- und Produktinformationen oder eine andere Informationsmöglichkeit wie einen parallel laufenden Livechat mit diesen Informationen.
Sind Präsenzen auf Marktplätzen und Handelsplattformen vom BFSG betroffen?
Ja, Handelsplattformen und Online-Marktplätze wie eBay, Amazon Marketplace oder andere E-Commerce-Plattformen unterliegen ebenfalls den Regelungen des BFSG.
Wer trägt die Verantwortung?
- Plattformbetreiber: Die Anbieter der Handelsplattformen sind primär für die barrierefreie Gestaltung der Plattform selbst verantwortlich.
- Händler und Unternehmen: Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen über diese Plattformen anbieten, sind für die Barrierefreiheit des eigenen Produktbereichs verantwortlich und müssen zusätzlich sicherstellen, dass das Bestellverfahren der genutzten Handelsplattform barrierefrei ist.
Unternehmen, die Marktplätze nutzen, sollten daher überprüfen, ob die Plattformen BFSG-konform sind:
- Direkte Rückfrage: Direkte Rückfrage bei den Plattformbetreibern, ob und wie Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt werden.
- Eigene Maßnahmen: Eigene Maßnahmen zur Barrierefreiheit für Produktbeschreibungen, Bestellprozesse und Kundenkommunikation sicherzustellen.
Falls eine Plattform die Barrierefreiheitsanforderungen nicht erfüllt, könnte dies rechtliche Konsequenzen sowohl für den Plattformanbieter als auch für Händler haben.
Müssen kostenlose Angebote barrierefrei sein?
Ob auch Onlineangebote, die Unternehmen Verbrauchern “kostenlos”, also ohne Geld als Gegenleistung zu verlangen, zur Verfügung stellen, unter das BFSG fallen, ist nicht eindeutig geregelt:
- Verbraucherverträge bedürfen keines Entgelts: Zum einen wird darauf verwiesen, dass auch der Vertrag über die Nutzung eines kostenlosen Angebotes ein Verbrauchervertrag im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB sei. Daher fallen auch alle Anmelde- und Registrierungsverfahren von kostenlosen Angeboten unter das BFSG.
- Entgelt erforderlich: Die EU-Richtlinie (European Accessibility Act, EAA), auf der das BFSG basiert, erwähnt die Barrierefreiheit im Kontext des „Online-Verkaufs von Produkten und Dienstleistungen” (Erwägungsgrund 46). Diese Formulierung legt nahe, dass ein Verkauf, also ein Leistungsaustausch, stattfinden muss. Folglich kann man trefflich argumentieren, dass gänzlich entgeltlose Angebote nicht in den Anwendungsbereich des BFSG fallen würden.
Aber auch wenn man der zweiten Ansicht folgt, kann selbst bei scheinbar kostenlosen Angeboten ein “Verkauf” vorliegen, nämlich dann, wenn Daten als Entgelt dienen. Es ist dabei wichtig zu beachten, dass “kostenlos” nicht automatisch “entgeltlos” bedeutet:
- Entgelt in Form von Daten: Auch Daten können ein Entgelt darstellen. Das ist dann der Fall, wenn die bei einer Registrierung erhobenen personenbezogenen Daten für andere Zwecke als die Erbringung der eigentlichen Leistung genutzt werden (§ 327 Abs. 3 BGB, OLG München, Az. 29 U 2799/17). Das ist z.B. der Fall, wenn Daten der Nutzer für Werbezwecke genutzt werden. Z.B. wenn die Daten der Nutzer für Einblendung von Werbeanzeigen oder Versand von Newslettern verarbeitet werden. In dieser Konstellation wird eine “kostenlose” Dienstleistung im Sinne des EAA gegen personenbezogene Daten als Entgelt “verkauft”.
- Verarbeitung lediglich für die Bereitstellung: Werden die Daten lediglich zur technischen Bereitstellung der Plattform verwendet (z. B. für den Betrieb eines Onlineforums, ohne Werbung oder Datennutzung), liegt kein entgeltlicher „Verkauf” im rechtlichen Sinne vor.
Wenn Unternehmen kostenlose Angebote bereitstellen, aber die Bereitstellung von Daten zu Werbezwecken zur Bedingung machen, dann sollte auch der Anmelde- oder Registrierungsprozess barrierefrei sein.
Wenn Sie auf Nummer ganz Sicher gehen und der rechtlich strengsten Ansicht folgen wollen, dann sollten Sie alle Bestell- oder Registrierungsverfahren bei allen der folgenden unternehmerischen kostenlosen Angebote barrierefrei gestalten, auch wenn sie keine Daten im Gegenzug verlangen.
Welche kostenlosen Onlineangebote könnten unter das BFSG fallen?
Ausgehend von der in der vorhergehenden Frage angestellten Überlegung, dass kostenlose Angebote dann unter das BFSG fallen, wenn ein Entgelt in Form von Daten vorliegt, werden nachfolgend typische kostenlose Angebote vorgestellt und es wird eingeschätzt, ob sie unter das BFSG fallen:
- Download eines E-Books gegen Newsletter-Anmeldung: Da die E-Mail-Adresse für Werbezwecke genutzt wird, liegt eine Gegenleistung in Form von Daten vor. Somit handelt es sich um einen Verbrauchervertrag, was die Anwendbarkeit des BFSG zur Folge hat.
- Anmeldung bei einer Online-Community gegen Einwilligung zur Weitergabe der Daten an Dritte: Nutzer können einer Online-Community beitreten, müssen aber zustimmen, dass ihre Daten für statistische oder kommerzielle Zwecke an Drittunternehmen weitergegeben werden.
- Freischaltung von Premium-Inhalten auf einer Nachrichten-Website gegen Zustimmung zur Profilbildung: Nutzer können Premium-Artikel lesen, wenn sie zustimmen, dass ihre Interessen analysiert werden und sie personalisierte Werbung erhalten.
- Registrierung für eine kostenlose Testversion einer App gegen Verarbeitung der Daten für Marketingzwecke: Ein Nutzer kann eine Testversion eines digitalen Produkts nutzen, muss aber zustimmen, dass seine Daten für Marketing-Analysen verwendet werden.
- Kostenloser Online-Kurs gegen Pflicht zur Teilnahme an Werbeaktionen: Ein Online-Kurs ist nur dann kostenlos verfügbar, wenn Nutzer sich damit einverstanden erklären, Werbeangebote per E-Mail oder Telefon zu erhalten.
- Nutzung einer „kostenlosen“ App gegen Einwilligung in Nutzung der Nutzerdaten für Werbezwecke: Die App selbst kostet zwar nichts, aber die Datenverarbeitung für wirtschaftliche Zwecke macht sie entgeltpflichtig, weshalb ein Verbrauchervertrag im Sinne des BFSG vorliegt. Das gilt auch, wenn die Nutzung zu Werbezwecken von Nutzern abgelehnt werden kann, da nicht alle Nutzer ablehnen werden.
- Kostenlose Teilnahme an Gewinnspielen gegen Zustimmung zur Nutzung der E-Mail-Adresse für Werbezwecke: Wenn die Teilnahme an einem Gewinnspiel die Einwilligung erfordert, dass die angegebenen Kontaktdaten für Werbezwecke genutzt werden dürfen, liegt ein Verbrauchervertrag vor und das BFSG ist anwendbar.
Müssen Cookie-Einwilligungs-Banner barrierefrei sein?
Ob und wie klar Cookie-Einwilligungs-Banner (auch als “Cookie Management Plattformen (CMP)” bezeichnet) dem BFSG unterfallen, hängt von deren Zweck ab:
- Geld-oder-Werbenutzung: Erkaufen sich Nutzer gegen eine Zahlung die Werbefreiheit auf einer Plattform, dann ist das Cookie-Einwilligungs-Banner ein E-Commerce-Angebot für sich, das auf den Abschluss eines entgeltpflichtigen Vertrags hinwirkt. Damit kommt das BFSG zur Anwendung und das Cookiebanner muss barrierefrei gestaltet sein.
- CookieWall: Bei einer sogenannten “Cookiewall” müssen Nutzer in die Werbung einwilligen, bevor sie ein Onlineangebot betreten. Unabhängig davon, dass Aufsichtsbehörden diese Art der Einwilligung für erzwungen und nicht freiwillig halten, wirkt das Cookie-Einwilligungs-Banner auch hier auf einen entgeltlichen Vertrag in Form des “Verkaufs” des Zugangs zu einem Onlineangebot hin.
- Optionale Einwilligung: Eine datenschutzrechtliche Einwilligung ist rechtlich betrachtet kein Vertrag (da ein Vertrag zwei übereinstimmende Willenserklärungen – Angebot und Annahme – erfordert), sondern eine einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärung “Ich stimme zu” des Betroffenen. Jedoch haben Gerichte bereits in der Vergangenheit Vertragsregeln, z.B. zu AGB, auf Einwilligungsinhalte angewendet (u.a. OLG Köln, Urteil vom 03.11.2023, Az. 6 U58/23). Das mit der Begründung, dass auch hier ein vergleichbarer Schutzbedarf besteht. Das heißt, es ist damit zu rechnen Komma, dass auch im Fall einfacher Cookie beinahe, Gerichte das BFSG anwenden könnten.
Zusammenfassend ist zu empfehlen, Cookie-Einwilligungsbanner stets barrierefrei zu gestalten, unabhängig davon, ob das BFSG zur Anwendung kommt oder nicht. Wenn das BFSG zur Anwendung kommt, muss zusätzlich das Cookie-Banner auch in der Barrierefreiheitserklärung aufgenommen werden. Dies gilt an sich auch bei reinen B2B-Webseiten, da diese auch von Verbrauchern besucht werden können.
Ratgeber zur Cookie-Nutzung: Wie Sie Cookie-Einwilligungen rechtssicher einholen können, erfahren Sie in unserem Beitrag: Der ultimative Cookie-Ratgeber – Praxistipps, TTDSG- & DSGVO-Checkliste.
Welche Bestandteile eines Onlineangebots unterfallen dem BFSG?
Unterfällt eine Webseite oder eine mobile Applikation dem BFSG, dann müssen alle ihrer Funktion dienenden Bestandteile umfasst. Dazu gehören insbesondere:
- Navigation und Menüführung (muss für Screenreader zugänglich sein).
- Texte und Bilder (Logische Strukturierung, Lesbarkeit mit Screenreadern und Alternativtexte für Bilder sind erforderlich).
- Formulare und Eingabefelder (müssen per Tastatur bedienbar sein).
- Videos und Audioinhalte (benötigen Untertitel oder Transkriptionen).
- Dokumente und PDF-Dateien: Müssen als barrierefreie Dokumente erstellt sein.
- Interaktive Elemente wie Buttons und Links (müssen klar erkennbar sein).
- Eingebettete Inhalte (z.B. Videos oder Bezahlverfahren).
Gilt das BFSG für Bilder, Videos und PDF-Dateien auf einer Website?
Das BFSG erfasst generell alle digitalen Inhalte, die auf einer betroffenen Website oder in einer App bereitgestellt werden. Das bedeutet, dass auch Bilder, Videos und PDF-Dokumente barrierefrei zugänglich sein müssen.
In diesem Fall wirken die Inhalte auf den Vertragsschluss hin, wie z.B. als Teil einer Produktbeschreibung. Die Barrierefreiheit dieser Elemente ist entscheidend, da sie wesentliche Informationen für potenzielle Kunden liefern und somit direkt den Kaufentscheidungsprozess beeinflussen können.
Müssen externe Inhalte (z. B. eingebettete YouTube-Videos, Google Maps) barrierefrei sein?
Eingebettete Drittanbieterinhalte müssen barrierefrei sein, sofern sie auf den Vertragsschluss hinwirken (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 BFSG). Das ist der Fall, wenn sie z.B. auf Produktdetailseiten oder ähnlichen Informationsseiten zu Produkten oder Dienstleistungen eingebunden sind (z.B. auf Buchungsseiten von Veranstaltungsanbietern).
Dies gilt auch dann, wenn es sich um fremde Inhalte handelt, da die Einbindung unter der eigenen Kontrolle steht und somit auch die Verantwortung für die Barrierefreiheit beim einbindenden Unternehmen liegt.
Gilt das BFSG auch für Kundenbewertungen?
Ob Kundenbewertungen unter das BFSG fallen, hängt davon ab, ob und wie sie auf den Vertragsabschluss hinwirken. Grundsätzlich gilt:
- Im E-Commerce-Angebot eingebundene Kundenbewertungen: Kundenbewertungen, die sich z.B. unter Produkten in einem Onlineshop wiederfinden, wirken als Entscheidungshilfe auf den Verkaufsentschluss hin und unterfallen daher dem BFSG. Das gilt auch, wenn sie mittels externer Widgets eingebunden werden.
- Externe Bewertungen: Bewertungen auf externen Plattformen oder auf reinen Informationsseiten sind wie Werbung zu betrachten, da sie nicht unmittelbar dem Verkaufsprozess dienlich sind und unterfallen damit nicht dem BFSG.
Müssen auch interne Systeme eines Unternehmens barrierefrei sein?
Das BFSG gilt in erster Linie für digitale Angebote, die sich an Verbraucher richten. Interne Unternehmenssysteme sind grundsätzlich nicht direkt von der gesetzlichen Pflicht betroffen.
Allerdings gibt es verschiedene Vorschriften, die Barrierefreiheit in internen Systemen fordern:
- Arbeitsrechtliche Vorgaben: Arbeitgeber sind gemäß § 164 SGB IX verpflichtet, Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zu IT-Systemen zu ermöglichen.
- Arbeitsschutz- und Antidiskriminierungsgesetze: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) kann in bestimmten Fällen eine Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung interner Anwendungen begründen.
- DSGVO: Datenschutzvorgaben fordern ebenfalls leicht zugängliche Informationen für die von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffenen Personen (Art. 12 Abs. 1 DSGVO).
CE-Kennzeichnung nach dem BFSG – Was müssen Händler beachten?
Gemäß § 11 BFSG dürfen Händler Produkte, die unter das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz fallen, erst dann auf dem Markt bereitstellen, wenn sie ordnungsgemäß mit der CE-Kennzeichnung gemäß § 19 BFSG versehen sind. Die primäre Pflicht zur CE-Kennzeichnung und zur Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens liegt dabei beim Hersteller oder seinem Bevollmächtigten.
Dennoch haben Händler eine eigenständige Prüfpflicht, deren Erfüllung essenziell ist, um Haftungsrisiken auszuschließen. Folgende Aspekte sind für Händler von besonderer Bedeutung:
-
Prüfung der CE-Kennzeichnung: Händler müssen sicherstellen, dass die CE-Kennzeichnung deutlich sichtbar, gut lesbar und dauerhaft auf dem Produkt oder seiner Datenplakette angebracht ist. Wenn die Produktart dies nicht zulässt oder es nicht rechtfertigt, muss die Kennzeichnung auf Verpackung und Begleitunterlagen sichtbar und dauerhaft angebracht sein.
-
Kontrolle der EU-Konformitätserklärung: Jedes Produkt muss mit einer aktuellen EU-Konformitätserklärung nach § 18 BFSG ausgestattet sein, die in deutscher Sprache vorliegen muss. Händler müssen prüfen, ob diese Erklärung dem Produkt tatsächlich beigefügt ist und ob aus ihr hervorgeht, dass alle relevanten Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt wurden. Sofern der Hersteller eine gesetzliche Ausnahmeregelung nach §§ 16 oder 17 BFSG in Anspruch genommen hat, muss dies ebenfalls ausdrücklich in der Erklärung vermerkt sein.
-
Kenntnis oder Verdacht auf Nichtkonformität: Sollte ein Händler Kenntnis oder berechtigten Grund zur Annahme haben, dass ein Produkt den Anforderungen der BFSGV nicht oder nicht vollständig entspricht, darf er das Produkt nicht auf dem Markt bereitstellen, bis der Hersteller oder Einführer die Konformität nachweislich hergestellt hat. In diesem Fall ist der Händler zudem verpflichtet, den Hersteller bzw. Einführer und die zuständige Marktüberwachungsbehörde unverzüglich zu informieren.
-
Schutz der Konformität während Lagerung und Transport: Während der Zeit, in der sich das Produkt im Verantwortungsbereich des Händlers befindet, trägt er eigenständige Verantwortung dafür, dass Lagerungs- und Transportbedingungen die Übereinstimmung mit den Anforderungen der BFSGV nicht beeinträchtigen. Andernfalls riskiert der Händler rechtliche Folgen wegen Verstoßes gegen die Sorgfaltspflicht.
Für Händler empfiehlt sich daher, interne Abläufe anzupassen und klare Kontrollmechanismen zu implementieren, um jederzeit den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden und Haftungsrisiken effektiv zu vermeiden.
Barrierefreiheitsanforderungen
Eine wesentliche Voraussetzung zur Umsetzung der Barrierefreiheit ist ein Verständnis dafür, welchen Barrieren sich eingeschränkte Personen gegenübersehen können.
Aus dem Grund erfahren Sie im ersten Schritt, was unter einer Behinderung im Sinne des BFSG zu verstehen ist und wie sie sich auf die Nutzung von E-Commerce-Angeboten und den dem BFSG unterfallenden Gesetzen auswirken kann.
Wann gilt eine Einschränkung als Behinderung im Sinne des BFSG?
Das BFSG definiert „Menschen mit Behinderungen“ im § 2 Nr. 1 als (Hervorhebung vom Verfasser):
Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umwelt- bedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können; […]
Im Kontext des BFSG bedeutet dies, dass Menschen mit Einschränkungen in der Seh-, Hör-, Sprach-, Motorik- oder Kognitionsfähigkeit digitale Produkte und Dienstleistungen gleichberechtigt nutzen können müssen.
Ärztliche Feststellung der Behinderung ist irrelevant: Entscheidend ist nicht die medizinische Diagnose, sondern die tatsächliche Einschränkung der Nutzung digitaler Angebote. Daher müssen im Rahmen der Barrierefreiheit z.B. ältere Menschen mit Sehbehinderung genauso wie eine junge Person mit kognitiven Einschränkungen berücksichtigt werden.
Welche Arten von Behinderungen werden durch das BFSG berücksichtigt?
Das BFSG bezieht sich auf alle Arten von Behinderungen, die die Nutzung digitaler oder physischer Produkte erschweren können. Dazu gehören insbesondere:
-
Sehbehinderungen
- Blindheit: Mangelnde Unterstützung für Screenreader und fehlende oder unzureichende Alternativtexte für Bilder.
- Farbenblindheit: Unzureichende Farbkontraste, die das Lesen erschweren.
- Sehschwächen (z. B. starke Kurzsichtigkeit): Nicht anpassbare Schriftartgrößen.
-
Hörbehinderungen
- Gehörlosigkeit: Fehlende Untertitel oder Transkriptionen für Videos.
- Schwerhörigkeit: Auditive Benachrichtigungen ohne visuelle Alternative.
- Auditive Verarbeitungsstörungen: Telefonische Kundenkommunikation ohne Textalternative.
-
Motorische Einschränkungen
- Lähmungen oder Amputationen: Webseiten und Apps, die nur mit der Maus bedienbar sind.
- Erkrankungen wie Parkinson oder Multiple Sklerose: Kleine Schaltflächen, die schwer anklickbar sind.
-
Kognitive Einschränkungen
- Lernbehinderungen: Komplexe Navigation ohne klare Struktur.
- Aufmerksamkeitsdefizitstörungen: Verwendung komplizierter Begriffe oder überladene Benutzeroberflächen.
- Sprach- und Verständnisschwierigkeiten: Fachbegriffe oder mangelnde Erklärungen für komplexe Inhalte.
-
Psychische Erkrankungen und neurodivergente Bedingungen
- Autismus-Spektrum-Störungen: Fehlen von Optionen zur Anpassung sensorischer Reize wie Helligkeit oder Lautstärke.
- Angststörungen oder Panikreaktionen auf zu schnelle oder überladene Websites: Automatisch ablaufende Animationen oder blinkende Inhalte, die Ablenkung erzeugen.
Das BFSG verpflichtet Unternehmen dazu, ihre digitalen Angebote so zu gestalten, dass sie unabhängig von der Art der Behinderung nutzbar sind.
Wie kann die Barrierefreiheit umgesetzt werden?
Empfohlene Vorgehensweise zur Prüfung und Einführung der Barrierefreiheit:
- Bestandsaufnahme und Analyse
- Automatische Tests mit Tools wie WAVE, axe DevTools oder Google Lighthouse.
- Manuelle Prüfung mit Screenreadern (z.B. NVDA, JAWS oder VoiceOver-Funktionen)
- Beauftragung von Barrierefreiheitsberatern
- Erstellung eines Maßnahmenplans
- Priorisierung dringender Maßnahmen (z.B. fehlende Alternativtexte, mangelhafte Tastatursteuerung)
- Festlegung von klaren Verantwortlichkeiten und Fristen
- Regelmäßige Prüfung
- Turnusmäßige Stichproben, abhängig vom Angebot und der Häufigkeit der Änderungen (z.B. jährlich bei statischen Websites oder monatlich bei permanenten Veränderungen eines größeren Angebotes)
- Anlassbezogene Prüfung, z.B. bei Änderung von Angeboten
Diese Vorgehensweise ermöglicht eine systematische Implementierung und Aufrechterhaltung der Barrierefreiheit und stellt sicher, dass Barrierefreiheit als kontinuierlicher Prozess verstanden und umgesetzt wird.
Wie oft sollten Unternehmen ihre Websites oder Produkte auf Barrierefreiheit testen?
Unternehmen sollten ihre dem BFSG unterfallenden Websites und digitalen Produkte regelmäßig auf Barrierefreiheit testen. Die Häufigkeit und Art der Tests hängen vom spezifischen Angebot ab:
- Große Änderungen: Bei jeder großen Änderung der Website oder App (z.B. Relaunch, neues Design, neue Funktionen).
- Jährliche Prüfung: Mindestens einmal pro Jahr eine vollständige oder zumindest abwechselnde bereichsbezogene Barrierefreiheitsprüfung.
- Neue Webseiten und Funktionen: Eine Prüfung sollte immer vor der Veröffentlichung neuer Funktionen, Webseiten oder deren Änderungen erfolgen.
- Reaktive Prüfung: Nach Beschwerden von Nutzern oder nach einer behördlichen Anfrage.
Es ist dabei entscheidend, das gesamte Team für das Thema Barrierefreiheit zu sensibilisieren. Dazu gehört:
- Schulungen: Schulung aller Teammitglieder zu Grundlagen der Barrierefreiheit.
- Prozesse: Klare Zuständigkeiten und Prozesse für die Umsetzung und Prüfung von Barrierefreiheit.
- Kommunikation: Regelmäßige Teambesprechungen, um Änderungen und potenzielle Auswirkungen auf die Barrierefreiheit zu diskutieren.
- Proaktivität: Ermutigung der Teammitglieder, bei Veränderungen proaktiv eine Prüfung anzuregen.
Barrierefreiheitsanforderungen bei Produkten
Anforderungen an die Barrierefreiheit der vom BSFG erfassten Produkte wird vor allem in der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) festgelegt. Die folgende Liste gilbt einen Überblick der wesentlichen Anforderungen:
- Allgemeine Anforderungen (§4):
- Mehrkanalige, verständliche und wahrnehmbare Produktinformationen mit angemessener Schriftgestaltung
- Öffentlich verfügbare, zugängliche Barrierefreiheits- und Nutzungsinformationen
- Alternative Formate für Texte und nicht-textliche Inhalte
- Beschreibung von Benutzeroberflächen, Schnittstellen zu Hilfsmitteln und getesteten Hilfsmitteln
- Integration auf oder in dem Produkt, soweit möglich
- Verpackungen und Anleitungen (§5):
- Mehrkanalig verfügbare, auffindbare und verständliche Informationen
- Alternative Formate und angepasste Lesbarkeit
- Benutzerschnittstellen und Funktionalität (§6):
- Zugänglichkeit und Bedienbarkeit für Menschen mit Behinderungen.
- Mehrkanalige Kommunikation und alternative Methoden.
- Anpassbare visuelle Elemente und Alternativen zu Farben und Signalen.
- Flexible Steuerung, haptische Erkennbarkeit, reduzierte physische Anforderungen.
- Schutz der Privatsphäre, Alternativen zur biometrischen Identifizierung.
- Schnittstellen für assistive Technologien, Vermeidung fotosensitiver Auslösungen.
- Branchenspezifische Anforderungen:
- Selbstbedienungsterminals (§7): Sprachausgabe, Kopfhöreranschluss, verlängerbare Antwortzeiten, kontrastreiche und taktil erkennbare Bedienelemente, Kompatibilität mit Hörhilfetechnologien.
- E-Book-Lesegeräte (§8): Sprachausgabe.
- Telekommunikationsendgeräte (§9): Echtzeit-Textverarbeitung, hohe Audioqualität, effektive Verbindung zu Hörhilfen ohne Interferenzen.
Barrierefreiheitsanforderungen bei Dienstleistungen (incl. E-Commerce)
Auch die Anforderungen an die Barrierefreiheit der vom BSFG erfassten Produkte wird vor allem in der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) festgelegt. Die folgende Liste gilbt einen Überblick der wesentlichen Anforderungen genereller Natur und für spezielle Dienstleistungen:
Allgemeine Anforderungen an Dienstleistungen
Damit Dienstleistungen im Sinne des BFSG, wozu auch E-Commerce-Angebote gehören, barrierefrei gestaltet sind, müssen sie den Anforderungen der § 12 bis 19 der Verordnung zum BFSG (BFSGV) genügen:
Webseiten, Online-Anwendungen und mobile Apps die zu den digitalen Dienstleistungen gehören müssen barrierefrei gestaltet sein und folgende Prinzipien erfüllen:
- Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen auch für Menschen mit Einschränkungen sichtbar und hörbar sein.
- Bedienbarkeit: Alle interaktiven Elemente müssen für Menschen mit motorischen oder sensorischen Einschränkungen nutzbar sein.
- Verständlichkeit: Informationen und Interaktionen müssen einfach zu erfassen und zu verstehen sein.
- Robustheit: Inhalte müssen mit assistiven Technologien kompatibel sein und auf verschiedenen Geräten funktionieren.
Zusätzlich werden für jeweilige Dienstleistungen speziellen Anforderungen im BFSGV festgelegt, von denen nur die wichtigsten nachfolgend Dargestellt werden:
- Telekommunikationsdienste (§14)
- Echtzeit-Text zusätzlich zur Sprachkommunikation.
- Gesamtgesprächsdienste bei Videoangeboten (synchronisierte Sprache, Echtzeit-Text, Video).
- Personenbeförderungsdienste (§15 & §16)
- Informationen zur Barrierefreiheit von Verkehrsmitteln, Infrastruktur und Gebäuden.
- Barrierefreie Bereitstellung von Informationen zu Ticketsystemen und Buchungen.
- Echtzeit-Reiseinformationen (Fahrpläne, Störungen, Anschlüsse, Weiterreise).
- Zusätzliche Serviceinformationen (z. B. defekte Aufzüge, Servicepersonal).
- Selbstbedienungsterminals müssen barrierefreie Standards erfüllen.
- Bankdienstleistungen für Verbraucher (§17)
- Identifizierungs-, Authentifizierungs- und Sicherheitsfunktionen müssen barrierefrei sein.
- Verständlichkeit der Informationen auf B2-Sprachniveau gewährleistet.
- E-Books (§18)
- Synchronisierte Bereitstellung von Text- und Audioinhalten.
- Assistive Technologien dürfen nicht in ihrer Funktionalität eingeschränkt werden.
- Navigation, Struktur und alternative Wiedergabearten müssen gewährleistet sein.
- Barrierefreiheitsmerkmale müssen in Metadaten auffindbar sein.
- Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr, d.h. E-Commerce (§19)
- Bereitstellung von Barrierefreiheitsinformationen zu Produkten und Dienstleistungen.
- Identifizierungs-, Authentifizierungs- und Zahlungsfunktionen müssen barrierefrei sein.
- Diese Zusammenfassung bietet einen strukturierten Überblick über die gesetzlichen Anforderungen an die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen.
Barrierefreiheitsanforderungen abhängig von Funktionen
Neben den spezifischen Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen gemäß dem BFSG legt die Verordnung zum BFSG (BFSGV) zusätzliche Barrierefreiheitsanforderungen abhängig von Funktionen von Produkten und Dienstleistungen, also auch in E-Commerce fest. Diese gelten insbesondere für Produkte oder Dienstleistungen, für die keine spezifischen technischen Anforderungen definiert sind (§ 21 BFSGV):
- Visuelle Bedienung:
- Eine Bedienungsform muss eine Nutzung mit eingeschränktem oder ohne Sehvermögen erlauben.
- Es darf keine Bedienungsform geben, die eine Farberkennung zwingend erfordert.
- Auditive Bedienung:
- Mindestens eine Bedienungsform muss eine Nutzung mit eingeschränktem oder ohne Hörvermögen enthalten.
- Falls eine stimmliche Eingabe erforderlich ist, muss eine Alternative bestehen, die ohne Spracheingabe funktioniert.
- Manuelle Bedienung:
- Falls eine manuelle Bedienung erforderlich ist, muss eine Alternative ohne feinmotorische Steuerung, hohe Handkraft oder gleichzeitige Steuerung mehrerer Elemente existieren.
- Alle Bedienelemente müssen sich in der Reichweite aller Nutzer befinden.
- Schutz vor visuellen Reizen: Bedienungsformen, die fotosensitive Anfälle auslösen können, sind zu vermeiden.
- Kognitive Barrierefreiheit: Eine Bedienungsform muss enthalten sein, die die Nutzung bei kognitiven Einschränkungen erleichtert (z.B. im Hinblick auf einfache Sprache).
- Privatsphäre bei der Nutzung von Barrierefreiheitsfunktionen: Falls ein Produkt oder eine Dienstleistung Barrierefreiheitsfunktionen enthält, muss eine datenschutzfreundliche Bedienungsform vorhanden sein, um die Privatsphäre der Nutzer zu wahren. Das ist z.B.. zu beachten, wenn Vorlese- oder ähnliche Plugins von externen Anbietern eingesetzt werden.
Maßnahmen zur Umsetzung der Barrierefreiheit bei Webseiten und Apps
In diesem Abschnitt erfahren Sie, welche Maßnahmen Unternehmen ergreifen können, um die Barrierefreiheit von Webseiten und Apps gemäß BFSG sicherzustellen. Es werden die zentralen Prinzipien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.2) vorgestellt, die für die Gestaltung zugänglicher digitaler Inhalte von Bedeutung sind, sowie praktische Schritte zur Implementierung der Barrierefreieheit.
Geltung der Web Content Accessibility Guidelines
Bei der Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen müssen die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.2.) beachtet werden. Die Anforderungen des WCAG werden hierbei in drei Konformitätsstufen unterteilt:
- Level A: Grundlegende Barrierefreiheitsanforderungen, die die größten Probleme für Nutzer mit Behinderungen vermeiden.
- Level AA: Erweitertes Barrierefreiheitsniveau, das sicherstellt, dass digitale Inhalte für eine breite Gruppe von Nutzern zugänglich sind.
- Level AAA: Höchstes Barrierefreiheitsniveau mit zusätzlichen Anforderungen, die insbesondere für Menschen mit starken Einschränkungen von Vorteil sind.
Um die Anforderungen des BFSG zu erfüllen, muss mindestens WCAG 2.2 Level AA erfüllt werden.
Wie kann die Barrierefreiheit praktisch umgesetzt werden?
Die folgenden Anforderungen basieren auf den wesentlichen Prinzipien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und stellen die grundlegenden Maßnahmen zur Barrierefreiheit digitaler Inhalte dar. Sie gelten sowohl für Webseiten als auch für mobile Anwendungen und gewährleisten, dass alle Nutzer – unabhängig von motorischen, sensorischen oder kognitiven Einschränkungen – digitale Angebote uneingeschränkt nutzen können.
Die folgende Checkliste enthält die wesentlichen Grundprinzipien der Barrierefreiheit bei Onlineangeboten.
Notwendigkeit individueller Prüfung: Trotz dieser umfassenden Zusammenstellung sollten Unternehmen und Entwickler stets eine individuelle Prüfung und Anpassung ihrer digitalen Angebote durchführen. Je nach Art der Webseite oder Anwendung können zusätzliche oder spezifische Maßnahmen erforderlich sein, um die vollständige Barrierefreiheit gemäß den gesetzlichen Vorgaben und den technischen Anforderungen der WCAG sicherzustellen.
Checkliste: Barrierefreiheit für digitale Inhalte
Websites und Apps müssen nach BFSG und WCAG 2.1 so gestaltet sein, dass alle Nutzer sie ohne Einschränkungen verwenden können.
Zu den zentralen technischen Anforderungen gehören, gegliedert entsprechend den zentralen Anforderungen der Barrierefreiheit:
- Wahrnehmbarkeit:
- Screenreader: Alle Inhalte müssen für Screenreader zugänglich sein und korrekt erfasst werden.
- Anpassbare Schriftgrößen: Texte müssen in ihrer Größe anpassbar sein, ohne dass Inhalte oder Funktionen verloren gehen.
- Alternativtexte: Bilder, Grafiken und Icons müssen mit Alternativtexten versehen sein.
- Untertitel und Transkriptionen: Videos und Audioinhalte müssen Untertitel oder Transkriptionen enthalten.
- Farbkontraste: Farben und Kontraste müssen für Menschen mit Sehbehinderungen optimiert sein.
- Lesbarkeit: Hintergrundbilder oder Farbverläufe dürfen Texte nicht unleserlich machen.
- Barrierefreie Captchas: Keine rein visuellen Captchas. Alternative Audio-Versionen oder mathematische Abfragen sind erforderlich.
- Bedienbarkeit:
- Tastatursteuerung: Alle interaktiven Elemente müssen per Tastatur steuerbar sein.
- Tab-Reihenfolge: Formulare müssen eine sinnvolle Tab-Reihenfolge und Fehlerkennzeichnung haben.
- Fokus-Indikatoren: Fokus-Indikatoren müssen sichtbar sein, damit Nutzer erkennen können, welches Element aktiv ist.
- Mausunabhängigkeit: Schaltflächen und Formulare müssen auch ohne Maus bedienbar sein (z. B. per Tabulator-Taste und Enter).
- Zeitflexibilität: Keine zeitlich begrenzten Interaktionen, ohne eine Verlängerungsmöglichkeit anzubieten.
- Sprachsteuerung: Alternative Bedienmethoden wie Sprachsteuerung müssen verfügbar sein.
- Autovervollständigung: Autovervollständigung und Autofill-Funktionen müssen unterstützt werden, um Eingaben zu erleichtern.
- Zeitlimits: Keine erzwungenen Zeitlimits für Eingaben oder Aktionen.
- Erwartetes Verhalten: Kein unerwartetes Verhalten durch Tastatureingaben (z. B. automatische Fokussprünge).
- Verständlichkeit:
- Konsistenz: Navigation und Bedienung müssen konsistent und logisch aufgebaut sein.
- Verlässlichkeit von Menüs: Menüpunkte dürfen sich nicht unerwartet verändern oder verschieben.
- Klare Anweisungen: Formulare müssen klare Anweisungen geben und Fehlermeldungen sollten präzise Lösungen vorschlagen (z. 98B. „Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein“ statt „Ungültige Eingabe“).
- Einfache Sprache: Keine unnötig komplizierten Formulierungen oder übermäßiger Fachjargon.
- Visuelle Hierarchie: Klare visuelle Hierarchien und eine konsistente Navigation müssen sichergestellt sein.
- Zugänglichkeit wichtiger Seiten: Wichtige Seiten, wie z.B. die AGB, Angaben zu Versandkosten oder Hilfebereich müssen leicht erreichbar sein (maximal drei Klicks vom Startpunkt).
- Orientierungshilfen: „Zurück zur Startseite“-Links und eine Brotkrumen-Navigation erleichtern die Orientierung.
- Robustheit:
- Valider HTML-Code: Der HTML-Code muss valide und semantisch korrekt sein, um mit Screenreadern und anderen assistiven Technologien kompatibel zu bleiben.
- ARIA-Rollen: Navigationselemente sollten mit ARIA-Rollen (z. B. role=”navigation”) ausgezeichnet sein.
- Layoutbeständigkeit: Keine plötzlichen oder unerwarteten Layout- oder Navigationsänderungen.
Wie können PDFs und Dokumente barrierefrei gestaltet werden?
Das BFSG verpflichtet Unternehmen, digitale Inhalte barrierefrei bereitzustellen, wenn sie z.B. dem Verkauf dienen oder z.B. AGB oder Widerrufsbelehrungen enthalten. Dazu gehören auch PDFs und andere elektronische Dokumente, die für Verbraucher zugänglich sind.
- Textbasierte Inhalte statt eingebettete Bilder: Texte dürfen nicht als reine Bilddateien gespeichert sein, sondern müssen als durchsuchbare Schrift vorliegen.
- Strukturierte Überschriften und Absätze: Dokumente müssen logische Hierarchien enthalten, die für Screenreader zugänglich sind.
- Alternativtexte für Bilder und Grafiken: Bildinhalte müssen durch beschreibende Texte ergänzt werden.
- Barrierefreie Tabellen: Tabellen müssen mit korrekten Spalten- und Zeilenbeschriftungen versehen sein, sodass sie von assistiven Technologien interpretiert werden können.
- Lese-Reihenfolge muss korrekt sein: Die Reihenfolge der Inhalte muss klar definiert sein, sodass Screenreader sie in logischer Abfolge vorlesen können.
- Metadaten und Dokumententitel: Dokumente sollten einen sinnvollen Titel und Metadaten enthalten, um die Navigation für assistive Technologien zu erleichtern.
- Farbkontraste und Schriftgrößen: Die Farbgestaltung muss so gewählt sein, dass Menschen mit Sehbehinderungen die Inhalte problemlos lesen können.
Falls PDF-Dokumente nicht barrierefrei gestaltet werden können, muss eine alternative HTML-Version oder ein barrierefreies Word-Dokument angeboten werden.
7. Erklärung zur Barrierefreiheit
In diesem Abschnitt erfahren Sie, was eine Erklärung zur Barrierefreiheit umfasst und warum sie für digitale Angebote, die unter das BFSG fallen, erforderlich ist. Diese Erklärung soll Transparenz bieten und es Nutzern ermöglichen, Barrieren zu melden. Zudem wird erläutert, wo und wie diese Erklärung bereitgestellt werden muss und welche Informationen sie enthalten muss..
Was ist eine Erklärung zur Barrierefreiheit?
Die Erklärung zur Barrierefreiheit ist eine gesetzlich vorgeschriebene Information, die auf Websites und in Apps veröffentlicht werden muss. Sie informiert darüber, inwieweit ein digitales Angebot die Anforderungen der Barrierefreiheit erfüllt.
Ziel der Erklärung ist es, Transparenz zu schaffen und Nutzern mit Behinderungen eine Möglichkeit zur Meldung bestehender Barrieren zu bieten.
Wer benötigt eine Erklärung zur Barrierefreiheit?
Falls das BFSG für Produkte oder Dienstleistungen zur Anwendung kommt, müssen die Hersteller bzw. Anbieter der Dienstleistungen eine Erklärung zur Barrierefreiheit bereitstellen (Anlage 3 zu §§ 14, 28 BFSG).
Wo und wie muss die Erklärung zur Barrierefreiheit bereitgestellt werden?
Die Erklärung zur Barrierefreiheit muss leicht auffindbar und barrierefrei gestaltet sein. Mögliche Platzierungen sind:
- In den AGB: Das Gesetz empfiehlt, die Erklärung zur Barrierefreiheit in den allgemeinen Geschäftsbedingungen zu platzieren.
- Verlinkung im Footer: Alternativ kann Erklärung zur Barrierefreiheit als Link mit dem Text „Barrierefreiheit“ neben dem Impressum und der Datenschutzerklärung im Footer von Webseiten verlinkt werden.
Es ist sinnvoll, die Erklärung sowohl in den AGB zu platzieren als auch im Footer von Webseiten zu verlinken. In der Praxis ist es üblich, dies über die Impressums-Methode zu tun, da beispielsweise bei Behördenwebseiten oft ein entsprechender Link im Fußbereich vorhanden ist.
Welche Informationen muss die Erklärung zur Barrierefreiheit beinhalten?
Basierend auf den Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) und den Informationen aus Anlage 3 muss eine Erklärung zur Barrierefreiheit folgende Elemente enthalten:
- Allgemeine Beschreibung: Eine allgemeine Beschreibung der Dienstleistung in einem barrierefreien Format.
- Erläuterungen zur Durchführung: Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der Durchführung der Dienstleistung, also z.B. zur Nutzung eines Onlineshops, eines Buchungs- oder eines Registrierungsformulars erforderlich sind.
- Erfüllung der Barrierefreiheitsanforderungen: Eine Beschreibung, wie die Dienstleistung die einschlägigen Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt, die in der Verordnung zum BFSG (BFSGV) aufgeführt sind.
- Zuständige Marktüberwachungsbehörde: Die Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde (“Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen Magdeburg” in Magdeburg).
- Verbraucherinformation gemäß Artikel 246 EGBGB: Die Formulierung in Nr. 1 Satz 3 der Anlage zum BFSG ist missverständlich. Sie könnte implizieren, dass alle Angaben nach Art. 246 EGBG in der Erklärung zur Barrierefreiheit stehen müssen. Dies würde neben den Angaben zum Anbieter auch “wesentliche Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen” beinhalten, was je nach Sortimentsbreite auf die Listung aller Produkte samt Beschreibungen als sicherste Option hinauslaufen würde. Das würde die Transparenz jedoch kaum fördern.
Gibt es ein Muster für die Erklärung zur Barrierefreiheit?
Der EU-Gesetzgeber hat eine Mustererklärung zur Barrierefreiheit zur Verfügung gestellt (Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1523). Diese Mustererklärung entspricht jedoch den an öffentliche Stellen gestellten Anforderungen und ist daher umfangreicher, als es bei Unternehmern erforderlich ist (s. Anlage 3 zum BFSG).
So sind die dort genannten Pflichtangaben für Unternehmen nicht erforderlich:
- Angabe nicht barrierefreier Teile der Dienstleistung.
- Gründe für nicht barrierefreie Gestaltung oder Erbringung.
- Datum der Erstellung und letzten Prüfung.
- Prüfmethode.
- Feedbackmechanismus.
- Durchsetzungsverfahren.
- Erklärung zu Ausnahmetatbeständen (§ 16 oder 17 BFSG).
Entsprechend gekürzt findet sich die Mustererklärung in dem folgenden Beispiel, das als Vorlage für eine Erklärung zur Barrierefreiheit in einem einen typischen Onlineshop dienen kann:
ERKLÄRUNG ZUR BARRIEREFREIHEIT
Allgemeine Beschreibung:
Unser Onlineshop spezialisiert sich auf Gartenprodukte und bietet eine vielfältige Auswahl an Artikeln für unterschiedliche Bedürfnisse. Im Sortiment finden sich Produkte für den Anbau, die Pflege und die Gestaltung von Gärten, darunter Pflanzensamen, Gartengeräte, Bewässerungssysteme und Gartenmöbel. Darüber hinaus führen wir eine Reihe von Zubehör für die Gartendekoration, wie Beleuchtung und Pflanzgefäße. .
Information zum Anbieter gem. Art 246 EGBGB:
Max Mustermann, Freiheitsstraße 1, 94031 Passau, Telefon: 0852 12345678, E-Mail: max.mustermann@beispiel.de.
Gesetzliche Anforderungen:
Die gesetzlichen Anforderungen ergeben sich aus dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), insbesondere § 14 im Verbindung mit § 3 Abs. 1 BFSG unter Verweis auf die Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG).
Erfüllung der Barrierefreiheitsanforderungen:
Unser Onlineshop ist gemäß den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) Version 2.2 auf Level AA barrierefrei gestaltet, um sicherzustellen, dass unser Angebote für alle Menschen zugänglich ist. Zu den Maßnahmen gehören:
Zugang und Sicherheit: Unsere Identifizierungs-, Authentifizierungs-, Sicherheits- und Zahlungsfunktionen sind so gestaltet, dass sie für alle Nutzer wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sind. Dies umfasst benutzerfreundliche Anmeldemethoden, barrierefreie Zwei-Faktor-Authentifizierung und sichere Zahlungsprozesse.
Funktionale Leistungskriterien: Wir bieten verschiedene Bedienungsformen, die sicherstellen, dass unsere Produkte und Dienstleistungen auch von Nutzern mit physischen, sensorischen oder kognitiven Einschränkungen verwendet werden können. Dazu gehören:
- Visuelle Alternativen: Alle Inhalte sind ohne Farbunterscheidung zugänglich und es gibt Textalternativen für Nutzer mit eingeschränktem Sehvermögen.
- Auditive Alternativen: Unsere Funktionen erfordern kein Hörvermögen und bieten erweiterte Audiofähigkeiten für Nutzer mit Hörbeeinträchtigungen.
- Manuelle Interaktionsmöglichkeiten: Unsere digitalen Inhalte sind ohne feinmotorische Steuerung und ohne erhebliche Handmuskelkraft nutzbar.
- Schutz vor visuellen Reizen: Wir vermeiden visuelle Stimulationen, die fotosensitive Anfälle auslösen könnten.
- Unterstützung bei kognitiven Einschränkungen: Wir stellen sicher, dass Funktionen zur Unterstützung kognitiver Einschränkungen angeboten werden, um die Nutzung so einfach wie möglich zu gestalten.
- Privatsphäre beim Einsatz von Barrierefreiheitsfunktionen: Alle eingesetzten Barrierefreiheitsfunktionen gewährleisten die Privatsphäre unserer Nutzer.
- Durch regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen stellen wir sicher, dass unsere digitalen Angebote den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und kontinuierlich verbessert werden, um eine hohe Zugänglichkeit und Sicherheit für alle Nutzer zu gewährleisten.
Zuständige Marktüberwachungsbehörde: Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen Magdeburg, Sachsen-Anhalt.
Bitte bedenken Sie, dass es sich um ein Beispiel handelt und die Erklärung für Ihr Onlineangebot individuell erstellt werden muss. Die hier angegebene Marküberwachungsbehörde ist noch im Aufbau und daher sind die Informationen zurzeit möglicherweise nicht vollständig oder endgültig.
Welche Rechtsfolgen drohen bei Fehlern in der Erklärung zur Barrierefreiheit?
Fehler in der Erklärung zur Barrierefreiheit können diese folgen nach sich ziehen:
- Bußgelder: Bußgelder von bis zu 10.000 Euro können verhängt werden. Dieses Risiko besteht pragmatisch betrachtet jedoch vor allem bei vollständig fehlender Erklärung zur Barrierefreiheit und nicht, wenn diese bloß korrigierbare Fehler enthält.
- Abmahnungen: Ein potenzielles Abmahnrisiko wegen fehlender oder fehlerhafter Erklärung zur Barrierefreiheit ist dadurch gemildert, dass es sich um “im elektronischen Geschäftsverkehr begangene Verstöße gegen gesetzliche Informationspflichten” handelt. Diese können zwar abgemahnt werden, aber die Abgemahnten müssen die Kosten der Abmahnung nicht erstatten, weshalb es kein lukratives Geschäft für sogenannte “Abmahnanwälte” ist (§ 13 Abs. 4 UWG).
Fazit und Praxishinweise
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) schafft wichtige Standards, bringt aber auch rechtliche Unklarheiten, insbesondere im Onlinebereich, mit sich.
Erleichternd ist, dass Kleinstunternehmen (weniger als 10 Mitarbeiter und 2 Mio. Umsatz) sowie B2B-Angebote ausgenommen sind und nicht alle Webseiten betroffen sind. Alle anderen Unternehmen müssen sicherstellen, dass E-Commerce-Angebote, Buchungs- und Bestell- sowie Terminvereinbarungsformulare barrierefrei sind. Das gilt auch für Anmeldemasken kostenloser Angebote und möglicherweise alle Cookie-Banner.
Angesichts möglicher Sanktionen sollten Onlineangebote bis Juni 2025 barrierefrei gestaltet und mit einer Erklärung zur Barrierefreiheit versehen sein. Eine Übergangsfrist bis 2030 gibt es für E-Commerce nicht, sondern allenfalls die vertriebenen und dem BFSG unterfallenden Produkte und Dienstleistungen.
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